Die Reichen sehen zu, dass sie die Euro-Zone verlassen. Mehr als 4000 Millionäre sollen allein Deutschland 2016 verlassen haben, ein paar Jahre zuvor waren es noch nur ein paar Hundert jährlich.
Mittellose Flüchtlinge aus Syrien und Afrika fluten West-Europa und gleichzeitig flüchten die Wohlhabenden aus der Euro-Zone. Diesen politisch brisanten Zusammenhang zieht Andrew Amoils, Leiter des „2017 Globalen Vermögens-Report: Weltweiter Wohlstand und Trends der Vermögens-Migration.„
Politisch schwer unkorrekt
Während die einen auf Schlauchbooten das Mittelmeer überqueren wollen, ist die Flucht der Reichen weniger spektakulär, doch die Wanderungsbewegungen der Millionäre nehmen weltweit zu. Und offenbar handelt es sich um weit mehr, als die üblichen Verlagerungen des Wohnsitzes im Ruhestand – die Reichen sind auf der Flucht.
Paris blutet aus
West-Europa ist kein gemütliches Zuhause mehr für die Wohlhabenden. Drei der vier Städte mit dem größten Millionärs-Exodus in 2016 liegen in der EU-Zone: Paris, Rom und Athen. Am stärksten blutet Paris aus: Im Jahr 2016 verließen 7000 Millionäre die Stadt, das sind sechs Prozent des Millionär-Bestandes. In Rom waren es 5000, in Athen 2000. Aus den USA schaffte es Chicago in das Negativ-Ranking, die Stadt wird von einer beispiellosen Gewaltwelle heimgesucht.
Sprunghaftes Ansteigen der Zahlen
Der Report schert sich nicht um politisch korrekte Erklärungen. Die Fluchttendenzen aus Paris werden unverblümt so erklärt: „Frankreich wird schwer getroffen von den wachsenden Spannungen zwischen Christen und Muslimen – vor allem in den städtischen Gebieten. Wir erwarten, dass die Migration der Millionäre aus Frankreich in der nächsten Dekade weiter zunehmen wird, wenn diese Spannungen weiter eskalieren.“ Unter den beliebten Zielen befinden sich Australien und Israel. Die Beliebtheit Israels erklärt der Report mit dem Exodus der Juden aus Europa. Dieser Faktor erklärt auch die Spitzenposition von Paris. Auch in Deutschland haben die Reichen offenbar nicht mehr viel Vertrauen in die politische Stabilität. 2015 haben etwa 1000 Millionäre Deutschland verlassen, davor lag die Zahl im niedrigen dreistelligen Bereich. Im Jahr 2016 waren es schon 4000. Das entspricht in etwa einer Verzehnfachung innerhalb weniger Jahre.
In der 2016-Studie wird die Bedeutung gesellschaftlicher Spannungen betont, um so das sprunghafte Ansteigen der Zahlen in kurzer Zeit zu erklären. Wichtig sind aber auch Faktoren wie Vertrauen in die Justiz, die Qualität des Schulsystems und andere Standortfaktoren.
Verlust der Leistungsträger
Die Zahlen sind alarmierend. Den betroffenen Ländern und Städten gehen Kaufkraft und Steuertrag der Vermögenden dauerhaft verloren. Vor allem aber wird die wirtschaftliche Aktivität der Leistungsträger mitsamt ihrem Kapital exportiert. Aller Voraussicht nach wird sich mit dem Wohnort auch das Zentrum der Geschäftsaktivitäten verlagert.
Andrew Amoils ist der Meinung, dass die Reichen ohnehin nur eine Art Frühwarnsystem der Gesellschaft sind. Dank ihres finanziellen Rückhalts, guter Ausbildung und internationaler Kontakte können sie leichter als andere auswandern. Zumal ausreichendes Vermögen in Ländern wie Kanada und Australien in aller Regel zu einem legalen Einwanderungsstatus verhilft. Der Auszug der Millionäre bedeutet aber nicht, dass sich die restliche Bevölkerung in den Fluchtländern wohlfühlt. Auf Dauer müsse man von einem gesteigerten Auswanderungswunsch bis weit in die Mittelschicht ausgehen, so der Report.
Traumland ist Australien
Die Städte, die die meisten Millionäre anzogen, sind Sydney (4000), Melbourne (3000), Tel Aviv (2000), Dubai (2000), San Francisco (2000) und Vancouver (2000). Erstaunlich ist, dass es weder Los Angeles noch New York in das Ranking geschafft haben.
Australien profitiert von den Faktoren, die dem EU-Raum zusetzen. Das Land gilt als sicher, es hat ein gutes Schul- und Gesundheitssystem, ist relativ dünn besiedelt und besitzt ein verlockendes Klima. Das wirtschaftliche Wachstum liegt an der Spitze der Industriestaaten und war in den vergangenen Jahren etwa doppelt so hoch wie im Euro-Raum. Nachteil: In beliebten Gegenden steigen die Immobilienpreise um mehr als zehn Prozent.