Ernüchternde Bilanz von Handwerk und Industrie: Mercedes-Chef Dieter Zetsche glaubt an ein „neues Wirtschaftswunder“. Politik und Wirtschaft sehen offiziell „große Chancen“. Aber ist das die Realität? Kreishandwerksmeister Rudolf Waxenberger behauptet: „Flüchtlinge als Lehrlinge und Arbeitskräfte bringen nichts.“
Erding
Sieben Praktikanten beziehungsweise Arbeiter hat Waxenberger bislang zu sich geholt. Ob es mehr werden? Fraglich. Denn der Chef des Baugeschäfts Anzinger ist sauer:
„Kaum einer hält lange durch. Meist ist nach dem zweiten Tag Schluss. Entweder kommen sie danach gar nicht mehr. Oder sie haben irgendwelche Ausreden.“
Als Kreishandwerksmeister spricht Waxenberger nicht nur für sich. „Meine Kollegen im Landkreis erleben genau das gleiche.“ Diese Entwicklung sei diese Woche auch Thema in der Vollversammlung der Handwerkskammer für München und Oberbayern gewesen. „Dort habe ich das gleiche Klagelied gehört.“ Eine brisante Rechnung habe die Runde gemacht.
„90 Prozent der Flüchtlinge brechen ihre Ausbildung im ersten Halbjahr ab. Davon wiederum 90 Prozent sind schon im ersten Monat wieder weg“, zitiert Waxenberger.
Dass die Kammern offiziell von „großen Chancen“ sprechen, die die Flüchtlinge für die von Fachkräftemangel geplagte Wirtschaft böten, hält Waxenberger für Sonntagsreden. „Tatsächlich erleben wir einen massiven Einzug in unser Sozialsysteme – mit heute nicht ansatzweise absehbaren Folgen.“
Der Industrie macht er den Vorwurf, von einem neuen Wirtschaftswunder zu reden. „Die zehn größten DAX-Konzerne haben gerade einmal 50 Azubis.“
Waxenberger weiß, dass ihn jetzt einige in die rechte Ecke stellen. Dabei will er den Flüchtlingen nicht einmal große Vorwürfe machen. „Das Hauptproblem sind die mangelnden Sprachkenntnisse.
Es ist nun einmal Tatsache, dass viele Zuwanderer Analphabeten sind. Sie können weder lesen noch schreiben und sollen eine fremde Sprache lernen. Wie soll das funktionieren?“
Für Waxenberger sind die meisten Flüchtlinge deswegen nicht einmal ausbildungsreif.
Hinzu kämen „große Mentalitätsunterschiede“. Der Bauunternehmer glaubt, dass sich viele Migranten keinerlei Vorstellungen gemacht hätten, wie es in dem Land zugeht, in das sie eingereist sind.
Dass es ein langer und beschwerlicher Weg ist, zumindest einen Teil der Asylbewerber in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wurde auch in der Sitzung des Regionalausschusses Erding-Freising der Industrie- und Handelskammer (IHK) deutlich. Die Unternehmer beklagten vor allem mangelnde Deutschkenntnisse, unterschiedliche Ausbildungsniveaus, aber auch bürokratische Hürden.
Monja Rohwer, Geschäftsführerin des Jobcenters Aruso in Erding, informierte über Grundsätzliches. So könnten Asylbewerber aus dem Irak, dem Iran, Syrien, Somalia und Eritrea mit 100 Prozent Anerkennung rechnen. „Sie dürfen immer arbeiten.“ Hier müssten Unternehmer keine Angst haben, dass die Arbeitserlaubnis entzogen werde. „Sie kann man ohne Bedenken einstellen.“
Anders sei die Lage bei Afghanen. Bei ihnen liege die Anerkennungsquote bei 50 Prozent, so Rohwer. Die Entscheidung treffe letztlich die Ausländerbehörde. Insgesamt seien derzeit 1300 Asylbewerber im Landkreis im Verfahren. Über 700 Flüchtlinge seien in den Jobcentern und Arbeitsagenturen Erding und Freising registriert.
Es gebe Probleme bei der Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen. Vor allem fehlten die Deutschkenntnisse. „Viele schaffen die Prüfungen der Sprachkurse nicht und können nicht mal Hilfsjobs ausüben“, erklärte Herbert Neumaier von der Agentur für Arbeit Erding. Was die Experten positiv bewerten: „Ein Drittel der Bewerber ist unter 21 Jahre – ein Potenzial. Aber es dauert zwei bis fünf Jahre, bis sie in den Arbeitsmarkt eingreifen können.“
Dass unter den Asylbewerbern viele Fachkräfte sind, konnte Rohwer nicht bestätigen.
Sie sagt aber auch: „Die, die qualifiziert sind und genügend Deutschkenntnisse haben, brauchen uns nicht.“ An Unterstützung mangle es nicht: „Wir haben an Fördermöglichkeiten alles, was man sich vorstellen kann.“ Viele Asylbewerber würden auch wegen des geringen Verdienstes keine Lehre anstreben. Sie stünden nämlich unter dem Druck, ihre Schulden – etwa beim Schlepper – abzahlen zu müssen.
Auch die Bürokratie ist ein Hemmnis. So berichtete ein Bauunternehmer, dass der albanische Führerschein eines Mitarbeiters nach sechs Monaten seine Gültigkeit verloren habe. Jetzt müsse der Mann die deutsche Fahrerlaubnis machen – finanziell und sprachlich ein Kraftakt. „Wenn ich einen geeigneten Bewerber habe, gehört auch eine Portion Aufwand mit dazu. Das ist nicht zu unterschätzen“, sagte Otto Heinz, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses.