Mit Martin Schulz rückt die SPD in der Flüchtlingspolitik nach links: Die Partei will jetzt die Beschränkung des Familiennachzugs für Syrer aufheben – und geht damit auf Konfrontationskurs zur Union.
Die SPD fordert, dass deutlich mehr syrische Flüchtlinge ihre Familien nach Deutschland nachholen können. Das erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Eva Högl. Demnach wollen die Sozialdemokraten mit einem entsprechenden Vorschlag in den nächsten Koalitionsausschuss an CDU und CSU herantreten. Schätzungsweise bis zu 150.000 syrische Familienangehörige könnten dann nach Vorstellungen der SPD schneller nach Deutschland geholt werden.
Mit Martin Schulz als Kanzlerkandidat nimmt die SPD damit eine Korrektur in einer zentralen Frage der Flüchtlingspolitik vor. Während der langjährige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel die strenge Regel verabredet hatte, rückt die SPD unter Schulz beim Thema Migration nach links. Zuvor hatte Schulz bereits den Vorschlag abgelehnt, in der aktuellen Situation Flüchtlingslager in Nordafrika einzurichten.
Mit ihrem neuen Kurs beim Familiennachzug rütteln die Sozialdemokraten an einem Pfeiler des Asylpakets II. Der Grund: Nach Ansicht der SPD ist mittlerweile die Geschäftsgrundlage entfallen, die vor einem Jahr zur Einschränkung des Familiennachzugs für syrische Flüchtlinge geführt hat. Damals hieß es bei der Verabschiedung des Gesetzes, dass von der verabredeten Einschränkung pro Jahr nur rund 1700 Personen betroffen sein würden.
Unter anderem eine veränderte Entscheidungspraxis beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat aber dafür gesorgt, dass im Jahr 2016 insgesamt 121.562 Syrer den sogenannten subsidiären Schutz erhielten und damit bis zum Jahr 2018 keine Familienmitglieder holen dürfen.
Bearbeitung der Anträge soll sofort starten
Die Sozialdemokraten wollen der Union nun zwei Vorschläge machen: Am liebsten möchten sie die Beschränkung komplett abschaffen. Sie präsentieren aber auch einen Kompromissvorschlag: Der Familiennachzug soll zwar bis 2018 ausgesetzt bleiben. Aber schon heute sollten deutsche Botschaften und Konsulate im Ausland damit beginnen, die langwierigen Anträge auf Familiennachzug anzunehmen und zu bearbeiten.
Die Festlegung der SPD folgt auf eine monatelange Diskussion. Bereits im November hatten sich mehrere Abgeordnete im Bundestag für eine Neuregelung ausgesprochen. Auf Anfrage der „Welt“ unter Abgeordneten erklärten bereits Anfang Februar rund zwei Dutzend SPD-Linke, dass Syrer ihre Familien künftig wieder nach Deutschland holen sollten. Eine Familienzusammenführung gilt dabei nur für Ehepartner und minderjährige Kinder.
Die Union lehnt eine Änderung am Asylpaket II bislang ab. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Stephan Harbarth (CDU), bekräftigte: „Mit uns wird es keine Rückkehr zum Status quo ante geben. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige bleibt bis zum März 2018 ausgesetzt – so, wie wir es im Deutschen Bundestag gemeinsam mit der SPD beschlossen haben“, sagte Harbarth der „Welt“.
Darüber hinaus setze sich die Union dafür ein, dass der Nachzug auch nach 2018 „eng begrenzt“ und „strikt an die Integrationsleistung“ geknüpft werde. Der Nachzug solle nur dann möglich sein, wenn der Schutzberechtigte „seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie aus eigener Kraft zu sichern vermag und über genügenden Wohnraum verfügt“.