Tausende Verwandte und Unterstützer bürgten seit 2013 für Migranten, um sie nach Deutschland zu holen. Die Jobcenter haben offene Rechnungen in Millionenhöhe – treiben die Beträge aber meist nicht ein.
Mit besonderen Aufnahmeprogrammen haben in den vergangenen Jahren Tausende sogenannte Flüchtlingsbürgen Migranten nach Deutschland holen dürfen. Dazu unterschrieben sie Verpflichtungserklärungen – doch unterschätzten viele die Folgekosten und staunten, als sie von den Arbeitsagenturen hohe Rechnungen erhielten. Inzwischen belaufen sich die Forderungen der Arbeitsagenturen gegenüber den Flüchtlingsbürgen auf mindestens 21 Millionen Euro.
Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des AfD-Abgeordneten René Springer hervor, die WELT vorliegt. Diese Summe ist aber nur ein Teil der tatsächlich ausstehenden Beträge: Darin nicht enthalten sind die Beträge der 105 kommunalen Träger, die sich in Eigenverantwortung um die Leistungen der Grundsicherung kümmern. „Der Bundesregierung liegen keine abschließenden Erkenntnisse über den Umfang der Erstattungsforderungen vor“, heißt es in der Antwort.
Beglichen wurden von den Flüchtlingsbürgen nach Auskunft des Arbeitsministeriums inzwischen erst rund 670.000 Euro. Die geringe Zahlungsbereitschaft erklärt sich vor allem dadurch, dass die Arbeitsagenturen darauf verzichten, die ausstehenden Beträge einzutreiben. „Eine Vollstreckung aus diesen Erstattungsbescheiden findet derzeit nicht statt.“
Zwei Jahre nach dem Beginn des Bürgerkrieges in Syrien hatten 2013 alle Bundesländer bis auf Bayern besondere Landesaufnahmeprogramme eingerichtet. Seither haben Flüchtlingshelfer oder Angehörige für etwa 20.000 Menschen gebürgt, um sie legal aus Syrien, der Türkei und weiteren Nachbarstaaten zu holen.
Die meisten Helfer gingen wohl davon aus, dass die Bürgschaft schon bald nach der Einreise erlischt. Teils teilten die Landesregierungen den Flüchtlingsbürgen mit, dass die Verpflichtungserklärungen nur den Zeitraum bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abdecken sollten, obwohl den Ländern eine anderslautende Rechtsauffassung des Bundes bekannt war.
Nachdem der Bund mit dem Integrationsgesetz im Jahr 2016 regelte, dass Bürgen für einen Zeitraum von drei beziehungsweise fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten haben, bestätigte dies auch das Bundesverwaltungsgericht im vergangenen Jahr; ausdrücklich auch für solche Fälle, in denen der Asylantrag anerkannt wurde, der Betroffene aber keine Arbeit findet.
Eigentlich waren die Landesprogramme gar nicht darauf ausgerichtet, dass die Flüchtlinge einen Asylantrag stellen: Bei solchen legalen Flüchtlingsaufnahmen ist dies nicht nötig, weil schon vor der Einreise der Schutzgrund festgestellt wird. Dennoch stellten in der Folge einige von ihnen Anträge und wurden anerkannt.
Zwar ist die unterzeichnete Verpflichtungserklärung eindeutig formuliert, juristisch ist aber umstritten, ob die Ausländerbehörden ausreichend geprüft haben, ob die Bürgen auch zahlungskräftig genug sind. In Bonn hatten bereits zwei Bürgen erfolgreich gegen das Jobcenter vor dem Verwaltungsgericht geklagt.
Viele Bürgen berichten, dass sie zu Zeiten der größten Willkommenseuphorie nur ihren Personalausweis, die Kopie eines Einkommensnachweises und eine Viertelstunde für ein Gespräch im Ausländeramt benötigten, um zum Flüchtlingsbürgen zu werden und so einer Familie die legale Einreise per Visum zu ermöglichen. Dabei wurden die Anforderungen der unterschriebenen Verpflichtungserklärungen wohl oft nicht genau studiert.
Die Schriftstücke sehen vor, dass die Kosten für den Lebensunterhalt der aufgenommenen Personen zu tragen und sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten sind, die für den Lebensunterhalt des Flüchtlings aufgewendet werden.
Um die finanzielle Belastung der sich verpflichtenden Personen nicht unverhältnismäßig auszugestalten, wurde der Umfang der abzugebenden Verpflichtungserklärung begrenzt. Kosten für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt, Pflegebedürftigkeit und Behinderung wurden von der Verpflichtungserklärung nach und nach ausgenommen.
Insgesamt ist die Zuwanderung über solche legalen Wege nach Deutschland gering. Seit dem Jahr 2013 wurden im Rahmen der UN-Umsiedlung sowie über humanitäre Aufnahmeprogramme des Bundes und der Länder nur rund 60.000 Flüchtlinge aufgenommen.