Ob Franz Josef Strauß die AfD wählen würde, ist reine Spektulation. Dennoch sind in einigen deutschen Großstädten Plakate mit dem CSU-Übervater aufgetaucht, die genau das behaupten. Dahinter steckt ein ominöser Tarnverein der AfD – der am Rande der Legalität agiert
Vor blau-weißen Rauten der bayerischen Flagge und mit festem Blick schaut der legendäre CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß auf die Wähler.
Seit Freitag hängt überall in München das großflächige Konterfei des 1988 verstorbenen CSU-Übervaters.
► Problem Nummer Eins: Er wirbt nicht für die Christsozialen, sondern für die AfD.
In #München hängen jetzt auch Großplakate des #AfD-Tarnvereins. #BTW17 Foto (c) Robert Andreasch Hintergrund (.pdf): https://t.co/rPCeMwRYJ8 pic.twitter.com/eFKCMAbD2U
— Robert Andreasch (@robertandreasch) 8. September 2017
Daran stößt sich nun dessen Familie. „Mein Vater würde auf gar keinen Fall AfD wählen“, sagte Strauß-Sohn Franz Georg den Zeitungen „Münchner Merkur“ und „TZ“. Sein Vater sei ein „christlicher Konservativer, kein ‚Rechter'“.
► Problem Nummer Zwei: Die Plakate sind nicht Teil der Bundestagswahl-Kampagne der rechtspopulistischen Partei. Zumindest nicht offiziell.
Denn hinter der Aktion steckt ein AfD-Tarnverein, der laut eigenen Angaben das Strauß- und fünf weitere Motive derzeit in allen deutschen Großstädten plakatiert. Die Plakate werben offensiv für eine Stimmabgabe für die AfD.
Genau das könnte für die Partei aber zu einem Problem werden. Denn bei dieser und anderen Kampagnen des Tarnvereins handelt es sich um Aktionen in einer rechtlichen Grauzone, am Rand zu einer verbotenen Parteienfinanzierung.
1. Welcher Verein steckt hinter der Kampagne?
Der in Stuttgart ansässige Tarnverein firmiert unter dem harmlos klingenden Namen Verein für Rechtsstaatlichkeit und bürgerliche Freiheiten e.V.
Zwar gibt er vor, eine rechte Denkfabrik zu sein. „Es findet aber keine eigene Wissensproduktion über Studien oder ähnliches statt“, schreibt die Watchdog Organisation Lobby Control in einem Hintergrundpapier zu dem Verein.
Aus Sicht der NGO sei das einzig erkennbare Ziel des Vereins, Wahlwerbung für die AfD zu machen. Neben Plakatkampagnen (die es unter anderem schon bei sieben Landtagswahlen seit März 2016 gab) erstellte der Verein auch Google-Anzeigen, Videos und Zeitungen.
Zuletzt fiel er durch die Mitte Juli verbreitete kostenlose Zeitung „Deutschland Kurier“ auf – auch die warb unverhohlen für die AfD.
Für die deutliche Parteinahme für die Rechtspopulisten hätten sich laut dem Vereinsvorsitzenden David Bendels 90 Prozent der angeblich 20.000 Förderer entschieden. So erzählte er es der Wochenzeitung „Junge Freiheit“.
2. Wie finanziert sich der AfD-Tarnverein?
Die Finanziers hinter den teuren Kampagnen sind bis jetzt nicht bekannt. Lobby Control hat ausgerechnet, dass die Kosten für die bisherigen Wahlkampagnen bei mindestens sechs Millionen Euro liegen würden.
Damit würde der Verein zu den größten finanziellen Unterstützern der AfD zählen. Zugleich zweifelt die Watchdog Organisation aber die Behauptung an, es gebe tausende Förderer. Vielmehr würden sich dahinter nur die Unterzeichner eines Manifests verbergen und keine Spender.
Aus Sicht von Lobby Control würden hinter dem Verein und seinen Aktivitäten vielmehr wenige finanzkräftige anonyme Großspender stehen.
Das glaubt auch Lutz Frühbrodt, Professor für Fachjournalismus an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Mit Kleinspenden lasse sich ein Projekt wie der „Deutschland Kurier“ kaum stemmen, erklärte er.
Zwar soll der Druck und die Verbreitung der 600.000 Exemplare der ersten Ausgabe durch Privatspenden an den Verein finanziert worden sein. Doch Frühbrodt geht davon aus, „dass Geld aus dem deutschsprachigen Ausland fließt. Ich halte es aber auch nicht für ausgeschlossen, dass einige Unternehmer in Deutschland dieses rechte Projekt fördern wollen.“
Eine Schlüsselrolle hinter den Kampagnen nimmt dabei die Schweizer Werbeagentur Goal AG ein.
3. Welche Rolle spielt die Schweizer PR-Agentur?
Die Goal AG arbeitete regelmäßig mit anderen europäischen rechtspopulistischen Parteien zusammen, darunter auch die Schweizer Volkspartei (SVP).
Für den Verein für Rechtsstaatlichkeit und bürgerliche Freiheiten führt die Schweizer PR-Agentur das Sekretariat und übernimmt zudem praktisch alle Öffentlichkeitsmaßnahmen, berichtet Lobby Control.
Die Organisation wirft sogar die Frage auf, „ob der ganze Verein nicht nur ein Projekt und eine Tarnorganisation der Goal AG ist“.
Klar ist: Zwischen der AfD, dem Verein und der Goal AG gibt es zahlreiche Verknüpfungspunkte. „Das belegen zahlreiche gemeinsame Auftritte von AfD-Politikern mit dem Vereinsvorsitzenden Bendels (…) und die direkte Unterstützung der Goal AG für mehrere AfD-Politiker“, schreibt Lobby Control.
Goal AG soll darüber hinaus die Aktivitäten einiger AfD-Politiker auch direkt finanziell unterstützt haben, darunter von AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen und AfD-NRW-Chef Marcus Pretzell.
Doch auch bei dem Schweizer Unternehmen ist unklar, woher das Geld stammt.
4. Warum ist das Vorgehen des Vereins problematisch?
Da der Verein bis heute nicht klargemacht hat, woher die Gelder für die millionenschwere Unterstützung kommen, muss er sich mindestens den Vorwurf gefallen lassen, verdeckte Wahlwerbung für die AfD zu machen.
Zudem umgeht der Verein mit seinem Vorgehen die Transparenzregeln des Parteienrechts, betont Lobby Control. „Zeit Online“ spricht in diesem Zusammenhang von einer „millionenschweren Blackbox“.
Die NGO macht klar: „Die verdeckte Wahlwerbung nutzt eine Lücke in den Transparenz-Vorschriften für Parteien.“
Während Parteispender ab einer Spende in Höhe von mehr als 10.000 Euro offengelegt werden müssen, können die Finanziers des Vereins verborgen bleiben.
Das Problem: Jede Privatperson und jeder Verein kann problemlos für eine Partei werben. Kritisch wird es erst, wenn eine Partei eingebunden wird, beispielsweise indem sie die gespendeten Zeitungen selbst verteilt oder die Plakate aufhängt. Dann würde eine verdeckte Parteienfinanzierung naheliegen, die verboten ist, wie das Recherche-Portal „Correctiv“ erklärt.
Genau das prüfte 2016 die Bundestagsverwaltung. Die Behörde befand jedoch damals, dass „derzeit keine Anhaltspunkte für einen Verstoß der AfD gegen das Parteiengesetz erkennbar“ sind.
Eine Grauzone bleibt aber.
5. Wie reagiert die Afd?
Die Rechtspopulisten haben bisher nichts gegen die Wahlwerbung unternommen. Zugleich reden AfD-Politiker die Unterstützung durch den Verein klein oder geben sich unwissend.
So erklärte der AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen gegenüber „Correctiv“:
„Die Goal AG hat auf eigenes Betreiben, ohne eine Beauftragung meinerseits oder seitens der Partei Alternative für Deutschland oder eines ihrer Landesverbände (…) Zeitungsanzeigen und Plakate mit für meine Wahl werbenden Motiven und Texten gestaltet und finanziert.“
Zumindest bei Meuthen würden Unterlagen mit seiner Unterschrift aber das Gegenteil naheliegen, berichtet „Correctiv“.