Hunderte Migranten auf dem Rettungsschiff „Aquarius“ sollen, der Regierung Italiens zufolge, von Malta aufgenommen werden. Der Inselstaat hält sich nicht für zuständig.
Das private Rettungsschiff Aquarius mit 629 Migranten an Bord hat nach Stunden des Wartens weder in Italien noch auf Malta die Erlaubnis zum Anlegen bekommen. Italiens neuer Ministerpräsident Giuseppe Conte entschied nach Verhandlungen mit den Koalitionsführern in Rom lediglich, zwei Motorboote mit medizinischem Personal zur Aquarius zu schicken, falls Passagiere an Bord Hilfe benötigten. Er machte keine Angaben dazu, ob die Flüchtlinge jemals in einen Hafen kommen könnten.
Einem vorherigen Zeitungsbericht zufolge hatte Italiens neuer Innenminister Matteo Salvini mit einer Schließung italienischer Häfen für Flüchtlinge gedroht. In einem Brief an die Behörden Maltas schrieb der Chef der fremdenfeindlichen Lega am Sonntag laut La Repubblica, er sei zur Schließung der Häfen „gezwungen“, wenn Malta nicht die 629 Migranten auf der Aquarius aufnehme.
Giuseppe Conte sagte, er habe Maltas Ministerpräsidenten Joseph Muscat persönlich kontaktiert, um eine Lösung für das Boot zu finden. Der habe zwar die Situation verstanden, aber trotzdem abgelehnt, schrieb Conte in einem Facebook-Post am Sonntagabend. Diese Haltung bestätige Maltas und damit auch Europas „Widerwillen“, in Notfällen einzugreifen und sich zu kümmern. Er habe Muscat ausdrücklich aufgefordert, wenigstens humanitäre Hilfe für Personen zu übernehmen, die auf der Aquarius in Schwierigkeiten seien.
Matteo Salvini und Italiens Verkehrsminister Danilo Toninelli erklärten in einer Stellungnahme, es sei Maltas Verantwortung, seine Häfen für die Geretteten der Aquarius zu öffnen. Alle Länder, die ans Mittelmeer grenzten, seien verantwortlich – Malta könne nicht damit rechnen, dass Italien sich weiter ganz allein dem gewaltigen Phänomen der Migration über Wasser stelle.
Salvini hatte im Wahlkampf versprochen, den Flüchtlingsstrom nach Italien zu stoppen. „Malta lässt niemanden hinein, Frankreich weist Menschen an der Grenze zurück, Spanien verteidigt seine Grenzen mit Waffen“, schrieb Salvini per Facebook und Twitter: „Von heute an wird auch Italien Nein sagen zu Menschenhandel und zum Geschäft der illegalen Einwanderung.“
Die Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée erklärte, auf ihrer Aquarius seien 400 Passagiere, die von der italienischen Marine, der Küstenwache und privaten Frachtschiffen gerettet worden seien. Sie selbst habe 229 Migranten von schiffbrüchigen Booten auf See geholt. Unter den 629 Menschen seien 123 unbegleitete Minderjährige, elf andere Kinder und sieben Schwangere.
Da oggi anche l’Italia comincia a dire NO al traffico di esseri umani, NO al business dell’immigrazione clandestina. Il mio obiettivo è garantire una vita serena a questi ragazzi in Africa e ai nostri figli in Italia. pic.twitter.com/3nLN7d4khC
— Matteo Salvini (@matteosalvinimi) 10. Juni 2018
Malta hatte bereits zuvor erklärt, die Aquarius habe die Passagiere in Gewässern aufgenommen, die von Libyen kontrolliert würden. Zudem hätten die italienischen Behörden in Rom die Such- und Rettungseinsätze koordiniert. Daher seien die maltesischen Behörden nicht zuständig.
Es war zunächst aber unklar, ob die Menschen tatsächlich nicht in Italien an Land gebracht werden können. Salvini hat keine Befehlsgewalt über die Häfen. Zudem kündigte der Bürgermeister von Neapel an, er würde das Flüchtlingsschiff willkommen heißen.
In den vergangenen fünf Jahren haben mehr als 600.000 Menschen, die sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben überwiegend von Afrika aus auf den Weg nach Europa gemacht hatten, Italien mit Flüchtlingsbooten erreicht. Tausende kamen bei der Überfahrt ums Leben, etwa weil ihre Boote kenterten. Italienische Politiker hatten wiederholt moniert, das Land werde von seinen EU-Partnern nicht ausreichend unterstützt.