Menschen mit Zuwanderungsgeschichte finden seltener eine Anstellung. Im Westen der Republik hat jeder zweite Arbeitslose ausländische Wurzeln. Entscheidend für den beruflichen Erfolg sind zwei Faktoren.
Obwohl die Bevölkerungszahl seit Langem konstant bleibt, steigt Jahr für Jahr die Zahl der Beschäftigten. Erstens, weil sich immer weniger Frauen für längere Zeit ganz der Familie widmen. Zweitens, weil aus anderen EU-Ländern jährlich Hunderttausende Arbeitnehmer zuwandern. Und drittens, weil sie gemeinsam mit vielen ehemaligen Arbeitslosen auf eine florierende Wirtschaft treffen.
Trotz alledem sind immer noch 2,5 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos, womit in der Behördendefinition nur jene bezeichnet werden, die einem einstellungswilligen Arbeitgeber direkt zur Verfügung stünden. Wer krank ist oder in einer öffentlich geförderten Schulung für das Berufsleben fit gemacht wird, fällt aus dieser Statistik heraus.
Unter den Arbeitslosen sind Zuwanderer und deren Nachkommen schon lange besonders stark vertreten. Inzwischen haben 43,1 Prozent der Arbeitslosen in Deutschland einen Migrationshintergrund, in den westdeutschen Bundesländern sind es sogar 49,5 Prozent – in Hessen wird der höchste Wert erreicht: 57,7 Prozent. Diese Angaben gehen aus einer aktuellen Auswertung der Bundesagentur für Arbeit (BA) zum Stand Dezember 2016 hervor, die der WELT vorliegt.
Unter den 4,3 Millionen „erwerbsfähigen Leistungsberechtigten“ – darin sind etwa auch Aufstocker enthalten, also sogenannte Hartz-IV-Empfänger, deren Lohn nicht zum Leben reicht – ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund noch höher: Er liegt laut Arbeitsagentur bundesweit bei 52,6 Prozent, im Westen sogar bei 59,5 Prozent.
Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Diese Angabe ist freiwillig, weswegen sich die Daten der Bundesarbeitsagentur auf jene 78,6 Prozent der befragten Transferbezieher stützen, die antworten wollten. Besonders in den vergangenen drei Jahren gab es einen deutlichen Anstieg: Ende 2013 lag der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund unter den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten laut BA noch bei 43 Prozent. Unter den Arbeitslosen hatten 36 Prozent (heute 43,1) Migrationshintergrund. Damals waren mit 2,9 Millionen auch insgesamt deutlich mehr Menschen arbeitslos gemeldet als heute.
Dass seit den 80er-Jahren der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an den Arbeitslosen steigt, liegt zum einen daran, dass der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund stark wächst, während der ohne Migrationshintergrund etwa in gleichem Maße schrumpft. Durch den stetigen Rückgang der deutschstämmigen Bevölkerung auf nur noch 64 Millionen und in etwa ebenso starker Einwanderung ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung laut Statistischem Bundesamt bis 2015 auf 21 Prozent gestiegen. Neuere Zahlen liegen erst Ende dieses Jahres vor.
Wie rasch diese Verschiebung in einigen Regionen abläuft, zeigt eine vor drei Wochen von der Stadt Frankfurt am Main vorgestellte Studie: So liegt dort der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund bei 51 Prozent, wie eine Auswertung der Melderegisterdaten aus dem Jahr 2015 ergab.
Während von den über 65-jährigen Frankfurtern ein gutes Drittel eine Zuwanderungsgeschichte hat, sind es bei den Kindern unter 15 Jahren schon 69 Prozent. Laut Statistischem Bundesamt liegt ihr Anteil bei den Kindern unter fünf Jahren bundesweit bei 36 Prozent. Damit wird auch deutlich, wie entscheidend der berufliche Erfolg der hier lebenden Migranten für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung des Landes ist.
Zu den Gründen für die höhere Arbeitslosigkeit und die geringere Erwerbsbeteiligung der Migranten wird immer wieder Folgendes angeführt: Zum einen spiegelten sich darin „die Nachwirkungen der Anwerbung un- oder gering qualifizierter Arbeitskräfte bis in die 1970er-Jahre wider“, wie es in einem Forschungsbericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu „Migranten am Arbeitsmarkt“ heißt. Unabhängig von der Herkunft steht der Schul- und Berufserfolg nämlich in starkem Zusammenhang mit dem der Eltern – nach Deutschland kamen und kommen überwiegend Migranten mit geringer Bildung.
Je nach kultureller Prägung gelingt es den Nachkommen gering qualifizierter Eltern unterschiedlich häufig, in Schule und Beruf erfolgreich zu sein. Zudem zeigen viele Studien, dass negative Fremdzuschreibungen sich in der Leistungsfähigkeit niederschlagen. Wer also zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe gehört, die von vielen Mitmenschen kritisch betrachtet wird, hat es in der Schule und im Betrieb schwerer.
Mikrozensus spiegelt zweite Jahreshälfte nur teilweise wider
Laut Statistischem Bundesamt variieren Bildungserfolg und Integration in den Arbeitsmarkt sehr deutlich je nach Herkunftsland. So hatten zum Beispiel 88 Prozent der 25 bis 35 Jahre alten Einwanderer mit chinesischen Wurzeln Abitur, aber nur 16 Prozent der aus der Türkei stammenden. Auf dem Arbeitsmarkt erzielten demnach beispielsweise die 25 bis 35 Jahre alten französischen Zuwanderer ein wesentlich höheres Einkommen (2622 Euro) als die Bulgaren (1352 Euro). Auch diese Angaben der Wiesbadener Statistiker beziehen sich auf das Jahr 2015.
Zudem weist das Statistische Bundesamt darauf hin, dass der Mikrozensus „die Zuwanderung des Jahres 2015 nur teilweise widerspiegelt“. Dies sei „insbesondere auf die Schutzsuchenden zurückzuführen, die vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2015 nach Deutschland kamen und in Erstaufnahmeeinrichtungen lebten, in denen generell keine Mikrozensus-Befragungen durchgeführt werden“.
Seit 2015 prägen die irreguläre Zuwanderung von bisher etwa 1,3 Millionen Schutzsuchenden und der resultierende Familiennachzug noch stärker die Gesamtzuwanderung, als es früher der Fall war. Erstere kann gar nicht und die zweite nur teilweise nach sozialen und wirtschaftlichen Kriterien gesteuert werden. Weil seit einem Jahr relativ konstant monatlich weitere 15.000 Schutzsuchende irregulär einreisen und meist unabhängig vom Ausgang ihres Asylverfahrens im Land bleiben, dringen Politiker auf die Nutzung der verbliebenen Steuerungsmöglichkeiten.
„Für anerkannte Asylbewerber ist allein die Schutzbedürftigkeit das ausschlaggebende Kriterium, sodass weder soziale und wirtschaftliche Aspekte noch die Integrationsbereitschaft eine Rolle spielen“, sagt Ansgar Heveling, der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag. Für den CDU-Politiker „ist es notwendig, rasch wieder zur Anwendung der Dublin-Regelungen zu kommen, um wenigstens ein Steuerungselement in der Hand zu haben.“ Da „allein schon der Familiennachzug bei denjenigen, die einen Anspruch haben, zu einer großen Herausforderung führt“, halte er es für richtig, dass der privilegierte Familiennachzug darüber hinausgehend „restriktiv gehandhabt“ werde.
Derzeit ist diese vereinfachte Art der Familienzusammenführung für die subsidiär Schutzberechtigten bis kommenden März ausgesetzt. Zudem fordert der CDU-Politiker, genauer hinzuschauen, ob bei anerkannten Flüchtlingen die Anerkennungsgründe inzwischen weggefallen sind. „Auch das ist streng zu prüfen.“