Häufige Polizeiberichte und massive Lärmbelästigungen nerven Anwohner des Asylheims in der Eutritzscher Straße. Jetzt öffnet sich der Betreiber überraschend für Gespräche.
Leipzig
Als die LVZ vor knapp einem Monat über häufige Polizeieinsätze am Asylbewerberheim in der Eutritzscher Straße berichtete, fanden Anwohner plötzlich ein zweiseitiges Schreiben des DRK-Kreisverbandes in ihren Briefkästen. Die Kommunikationsoffensive des Heimbetreibers überraschte einige im Viertel. Für manche Nachbarn war es der erste Kontakt zur Einrichtungsleitung überhaupt, obwohl sie sich seit Langem immer wieder erfolglos um Gesprächstermine bemüht hatten. „Es kann doch nicht sein, dass wir wegen massiver Probleme seit zwei Jahren das Gespräch suchen“, so Anwohnerin Sarah M. (*), „und erst jetzt, als die Zeitung berichtet, wird uns vom DRK ein Angebot zum Erfahrungsaustausch gemacht.“
Etwa 60 Polizeieinsätze
Ganz offenbar hat die DRK-Flüchtlingssozialarbeit eine andere Sicht auf die Realität, als die Polizei es der LVZ auf Anfrage mitteilte. Laut den Angaben der Sicherheitsbehörde kam es vom 4. Oktober 2017 bis einschließlich 1. August 2018 an der Asylbewerberunterkunft zu rund 60 Einsätzen, unter anderem wegen Auseinandersetzungen mit Verletzten. Das Gros der Einsätze betraf indes keine Straftaten, sondern Abschiebungen, Fahndungstreffer nach gesuchten Personen, Brandmelderfehleinläufe, Durchsuchungen im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren und Lärmbelästigungen. Anwohner klagten, das Sicherheitsgefühl gehe immer mehr verloren. Der Heimbetreiber bezeichnete diesen auf polizeilichen Auskünften basierenden Zeitungsartikel als „fehlerhaft recherchiert und künstlich zugespitzt“. Damit würden „Unsicherheitsgefühle fahrlässig provoziert und verstärkt, statt eine sachliche Auseinandersetzung anzustoßen“, teilte das DRK den Anwohnern mit.
Massive Lärmbelästigung
Interesse an einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Heimbetreiber hat Sarah M. seit 2017. „Über Monate hinweg ging eine massive Lärmbelästigung von der Unterkunft aus“, so die junge Mutter. „Teilweise bis Mitternacht haben Flüchtlingskinder scheinbar ohne jegliche Aufsicht draußen herumgebrüllt, das war nicht zumutbar. Während meiner Schwangerschaft habe ich in sechs von sieben Nächten kein Auge zugemacht und auch jetzt kriege ich mein Baby kaum zum Einschlafen.“ Um Abhilfe zu schaffen, habe sie immer wieder Kontakt zur Heimleitung gesucht. „Ich hatte konkrete Termine bei dem Verantwortlichen des DRK, die kurzfristig abgesagt wurden“, so Sarah M., „auch beim Hoffest in der Einrichtung wollte ich die Gelegenheit nutzen, aber es kam nicht dazu.“
Bedauern über Verunsicherung
Umso erstaunter ist sie, wenn das DRK nun anbietet, in persönlichen Gesprächen etwa über „Handlungsabläufe bei Konfliktsituationen“ oder „Belastungsfaktoren unserer Bewohner, die Auslöser für Krisensituationen sein können“ informieren zu wollen. Dabei sollte regelmäßiger Kontakt zur Anwohnerschaft – auch in Problemfällen – nicht nur als Reaktion auf Medienberichte stattfinden. „Neben der sozialen Betreuung der Bewohner obliegt den Betreibern von Gemeinschaftsunterkünften der Stadt Leipzig die Aufgabe, als Ansprechpartner für Anwohner in der Nachbarschaft zur Verfügung zu stehen“, stellte Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst klar. „Ziel des Erfahrungsaustausches ist eine sachliche Auseinandersetzung mit bestehenden Unsicherheitsgefühlen. Der offene Dialog mit den Anwohnern ist dem Betreiber sehr wichtig.“ Bisher sei eine Frau der Offerte gefolgt. „Der DRK Kreisverband Leipzig-Stadt bedauert sehr, dass Anwohner verängstigt und verunsichert sind“, so Kador-Probst.
Willkommensinitiative von Kirchgemeinde
Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Nach Schilderung der Amtsleiterin geschieht in der Eutritzscher Straße Vorbildhaftes. „Die Arbeit des Betreibers vor Ort wird seit Eröffnung der Einrichtung von vielen tatkräftigen, ehrenamtlichen Helfern aus dem Stadtteil unterstützt“, so Kador-Probst. „Besonders die Willkommensinitiative der Michaeliskirchgemeinde ist hier zu erwähnen, welche die Planung und Umsetzung einer Vielzahl von Unterstützungsangeboten leistet. Diese reichen von Spielangeboten für Kinder über Nachhilfeunterricht bis hin zu einer Frauengruppe.“ Auch bei Problemen werde schnell reagiert. „In den Sommermonaten wurden an die Hausleitung Beschwerden wegen Ruhestörung gerichtet“, informierte die Amtsleiterin. „Diese Meldungen hat der Betreiber ernst genommen und mit organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Ruhezeiten reagiert.“
Tatsächlich sei es zwischenzeitlich mal etwas ruhiger geworden, räumte auch Sarah M. ein. „Doch das hielt nicht lange an.“ Es sei sogar schon vorgekommen, dass sie persönlich angegriffen wurde, als sie an der Unterkunft vorbeiging. „Da beschimpfte mich ein Junge als Nazi-Schlampe“, so die Leipzigerin. Doch laut Kador-Probst ist zumindest aus Sicht des Betreibers „das Zusammenwirken von Anwohnern des Stadtteils und Geflüchteten von Vertrauen und gegenseitigem Respekt geprägt.“ (* Name auf Wunsch geändert)