Der Mikrozensus zeigt das starke Wachstum der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Die Zahl der sogenannten Herkunftsdeutschen sinkt hingegen seit Jahren. Viele Asylsuchende sind dabei in der Statistik noch nicht erfasst.
Das große Schrumpfen der Bevölkerung in Deutschland fällt vorerst aus: Es sterben zwar immer noch mehr Menschen, als geboren werden – aber die starke Migration macht das Minus wett. In der Demografiebilanz der Bundesregierung vom Februar heißt es: „Der Zuwanderungsüberschuss der letzten Jahre hat dafür gesorgt, dass die Bevölkerungszahl gestiegen ist, obwohl die natürliche Bevölkerungsbilanz negativ war.“
Schon in den 60er-Jahren begann der Trend, dass sich die Gesellschaft zunehmend auch aus Zugewanderten und ihren Kindern zusammensetzt – mit oder ohne deutschen Pass. Inzwischen haben rund 23 Prozent der 82 Millionen in Deutschland lebenden Menschen einen Migrationshintergrund, wie eine Auswertung des Mikrozensus für das Jahr 2016 durch das Statistische Bundesamt ergab.
Wie rasch sich dieser Wandel schon vollzogen hat – und weiter vollzieht –, zeigen die Zahlen für die verschiedenen Generationen: Während nur jeder zehnte der Menschen über 65 Jahren einen Migrationshintergrund hat, sind es bei den unter Sechsjährigen schon 38 Prozent; in Westdeutschland (inklusive Berlin) kommen 42 Prozent dieser Kinder aus einer Einwandererfamilie.
In Bremen haben 53 Prozent der unter Sechsjährigen und 31 Prozent der Gesamtbevölkerung einen Migrationshintergrund. In Hessen sind es 50 beziehungsweise 30 Prozent. In Frankfurt am Main liegt der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund laut einer Studie schon heute bei 51 Prozent, bei den Kindern unter 15 Jahren sind es 69 Prozent. Auf Gemeindeebene gilt tendenziell: Je größer die Einwohnerzahl, desto größer auch der Anteil der Migranten.
Zahl der Deutschen ohne Migrationshintergrund sinkt stark
Dieser steigt aber bundesweit nicht nur wegen der starken Zuwanderung so schnell, sondern auch wegen der etwa in gleichem Maße zurückgehenden herkunftsdeutschen Bevölkerung, also Menschen ohne Migrationshintergrund. Das zeigt schon die trotz jahrzehntelanger Zuwanderung relativ konstante Bevölkerungsgröße.
Die Zahl der Deutschen ohne Migrationshintergrund sinkt Jahr für Jahr um einige Hunderttausend Menschen: Lebten 2011 noch 65,4 Millionen Herkunftsdeutsche im Land, waren es 2015 nur noch 64,3 Millionen. Im vergangenen Jahr ist diese Zahl laut Mikrozensus auf 63,8 Millionen gesunken.
Besonders eindrücklich ist ein Vergleich der Altersgruppen: Heute gibt es hierzulande 5,8 Millionen Deutsche ohne Migrationshintergrund in der Gruppe der 50- bis 54-Jährigen. Unter den 20- bis 24-Jährigen sind es deutlich weniger, nämlich 3,2 Millionen. Die jüngsten fünf Jahrgänge zusammengenommen kommen laut Statistischem Bundesamt gerade einmal noch auf 2,3 Millionen.
Dass trotzdem die Bevölkerungszahl durch Zuwanderung leicht stieg, zeigt, wie stark der demografische Wandel von der Migration geprägt wird. Nun ist die Kategorie Migrationshintergrund auch nur eine unter vielen: Sie bedeutet schlicht, dass eine Person entweder selbst ohne deutsche Staatsangehörigkeit geboren wurde oder mindestens eines ihrer Elternteile. So fallen etwa die Enkel eingebürgerter Gastarbeiter mittelfristig aus der „Bevölkerung mit Migrationshintergrund“ heraus – nämlich dann, wenn beide Eltern mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurden.
Wie teilt sich die Bevölkerung mit Migrationshintergrund mit 18,6 Millionen Menschen auf? Ausländer machen mit neun Millionen weniger als die Hälfte aus. 9,6 Millionen Personen mit Migrationshintergrund haben einen deutschen Pass. Mit 12,7 Millionen machen die selbst Zugewanderten, also „die Bevölkerung mit eigener Migrationserfahrung“, zwei Drittel aus.
Woher kommen die Menschen mit Migrationshintergrund beziehungsweise ihre Eltern? Derzeit leben hierzulande 3,2 Millionen Spätaussiedler oder deren Nachkommen. Die Integration dieser Gruppe gilt als gut gelungen. Hinzu kommen 6,6 Millionen Menschen aus anderen Ländern der Europäischen Union, unter ihnen vier Millionen aus den seit 2004 beigetretenen osteuropäischen Staaten. Das restliche Europa (ohne Russland und die Türkei) ist mit weiteren zwei Millionen Personen vertreten. Wichtigstes Herkunftsland bleibt die Türkei; aus ihr stammen laut Mikrozensus 2,8 Millionen Menschen beziehungsweise deren Kinder.
Vor allem durch die seit 2013 gestiegene irreguläre Zuwanderung über das Asylsystem leben inzwischen auch 1,3 Millionen Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten (ohne Kasachstan) in Deutschland. Afrika gewinnt ebenfalls an Bedeutung: 744.000 Menschen von dort leben jetzt hier – 46 Prozent mehr als im Jahr 2011. Groß ist auch die Zahl der Afghanen (231.000 laut Mikrozensus) und Pakistaner (94.000) in der Bundesrepublik.
Die Statistiker des Bundesamtes haben diese Zahlen auf Grundlage des Mikrozensus hochgerechnet. Dieser ist eine Stichprobenerhebung, bei der jährlich rund ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland befragt wird. Die Wiesbadener Wissenschaftler weisen darauf hin, dass wegen der Flüchtlingskrise der Jahre 2015 und 2016 nicht alle Asylsuchenden erfasst seien.
Grund: Bei der überwiegenden Mehrheit der Aufnahmeeinrichtungen habe es sich nicht um Wohngebäude gehandelt. Dies habe zur Folge gehabt, „dass die dort lebenden Menschen für den Mikrozensus nicht befragt wurden“. Die Hochrechnung des Mikrozensus könne „nur auf die in Privathaushalten befindlichen Personen zurückgreifen“.
Früher wäre die Gruppe der Schutzsuchenden wenig relevant für eine Datensammlung des Statistischen Bundesamtes zur Bevölkerungsentwicklung gewesen. Heute ist sie es aber wegen der seit Jahren starken irregulären Zuwanderung, besonders der im Jahr 2015. Obwohl der Flüchtlingsstatus und ähnliche Schutztitel nur zeitlich befristet vergeben werden und abgelehnte Bewerber eigentlich rasch zurückgeführt werden sollen, bleiben sie am Ende oft dauerhaft in Deutschland.