Die Staatsanwaltschaft Chemnitz billigt den Verkauf von Nachbildungen des Galgens, mit dem auf einer Pegida-Demonstration 2015 gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel demonstriert wurde. Die Entscheidung sorgt für Empörung.
Ist das Kunst oder Aufruf zum Mord an Politikern? Jens Döbel aus Schwarzenberg in Erzgebirge, der vor zwei Jahren auf einer Pegida-Demo in Dresden einen Galgen („Reserviert Angela ,Mutti‘ Merkel“ und „Reserviert Siegmar ´das Pack´ Gabriel“) hochhielt, baut jetzt Miniatur-Nachbildungen in Serie! Und bietet sie auch zum Verkauf an. Die Chemnitzer Staatsanwaltschaft stellte ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen den Verkäufer ein, „da im konkreten Fall kein Straftatbestand als erfüllt angesehen wird“, heißt es in einer Mitteilung der Behörde. Zuerst hatte die Süddeutsche Zeitung darüber berichtet.
Keine Aufforderung zu einer Straftat
Die Staatsanwälte halten weder den Tatbestand der „öffentlichen Aufforderung zu Straftaten“ noch eine Störung des „öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ für erfüllt. Dies setze voraus, dass der Beschuldigte „die Tötung der beiden Politiker in Aussicht gestellt und vorgegeben hätte, dies läge in seinem Einflussbereich“. Bei objektiver Betrachtung könne das Verhalten auch dahingehend verstanden werden, „den genannten Politikern symbolisch den politischen Tod zu wünschen“.
„Da keine Straftat vorliegt, können die Miniatur-Galgen durch die Staatsanwaltschaft auch nicht beschlagnahmt oder deren Verkauf unterbunden werden“, heißt es weiter.
Während die Behörden juristisch argumentieren, fanden Politiker klare Worte. Sachsens designierter Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) verwies bei Twitter zwar auf die Unabhängigkeit der Justiz, stellte zugleich aber klar: „Auch wenn die Staatsanwaltschaft keine Strafbarkeit sieht, halte ich es nicht nur für geschmacklos, Galgen mit Namen von Personen zu verkaufen. Diese Grenzüberschreitung vergiftet das Klima in unserem Land.“
Justiz ist unabhängig. Auch wenn die Staatsanwaltschaft keine Strafbarkeit sieht, halte ich es nicht nur für geschmacklos Galgen mit Namen von Personen zu verkaufen. Diese Grenzüberschreitung vergiftet das Klima in unserem Land https://t.co/rKt8xQ7jJi https://t.co/rKt8xQ7jJi
— Michael Kretschmer (@kretsc) 6. Dezember 2017
Der Chemnitzer Bundestagsabgeordnete Detlef Müller (SPD) äußerte sich ebenfalls: „Die Justiz darf nicht politisch sein, sie muss aber die politischen Folgen ihrer Entscheidungen bedenken. Strafverfolgung in einem demokratischen Rechtsstaat verliert ihren Sinn, wenn ihre Entscheidungen Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte nicht mehr schützen, sondern diese dem Lynch-Mob freigeben.“
Die bisherige Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden auf, die Galgen-Entscheidung zu prüfen: „Staatsanwälte dürfen sich nicht durch abgrundtiefe Naivität zum Steigbügelhalter von Rechtsextremen machen lassen“, sagte sie der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung.
Verein wird vom Verfassungsschutz beobachtet
Jens Döbel ist Mitglied des sächsischen Vereins Heimattreue Niederdorf (60 Mitglieder), der vom Verfassungsschutz beobachtet wird. „Wir sind keine Nazis“, sagt der Vereinschef Thomas Witte zu RT. „Wir sind gegen jegliche Art des Extremismus – egal ob rechts, links oder aus religiösen Gründen. Nachdem wir zufällig bei einer Gemeinderatssitzung erfahren haben, dass wir vom Verfassungsschutz beobachtet werden, haben wir dem sächsischen Innenminister Markus Ulbig einen Brief mit der Bitte um Erklärung geschickt.“
Der Vereinschef bestreitet weiter, vor dem Urteil die Miniatur-Galgen verkauft zu haben, wie es in einigen Medien hieß. „Jens Döbel hat die Holz-Skulpturen allein hergestellt und zum Verkauf angeboten. Aber auf Grund des Urteils und des medialen Rummels werden wir uns jetzt daran beteiligen. Und fünf Euro von jeder verkauften Miniatur spenden wir für Obdachlose in Chemnitz. Vom Geld werden wir Sachleistungen wie Decken oder Winterkleidung kaufen.“ Die Nachbildungen sollen in zwei Ausführungen hergestellt werden, die kleinere Variante soll 18,95 und die größere 29,95 Euro kosten.