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Jun 18

Mord in Nordstetten: Mörder Mohammed O. grinst im Gerichtssal vor sich hin

Das ehemalige Offizierskasino. Hier wollte Michael Riecher Wohnungen für sich und den syrischen Flüchtling einrichten. Foto: Schülke

Rottweil/Horb – Wie sehr die Angehörigen des getöteten Immobilienunternehmers Michael Riecher (57) leiden müssen, können Außenstehende nicht erahnen. Im Gerichtssaal brach es aus der Zwillingsschwester des Opfers heraus. Sie sagt: „Der Hauptangeklagte grinst die ganze Zeit vor sich hin. Er hat hier nicht zu grinsen! Das ist ein Mordfall.“ Auch Riechers zweite Schwester springt auf, klopft auf den Tisch. Ruft: „Genau“.

Die Emotionen kochen hoch im Gerichtssaal. Kein Wunder. Schildert doch die Zwillingsschwester des Opfers, wie gut es Michael Riecher mit Mohammed O. gemeint hatte.

Die Schwester schildert zunächst, wie sich Riecher vom Informationselektroniker bei Riese über Versicherungen und Immobilien hochgearbeitet hat: „Er sagte mir, dass er etwas arbeiten wollte, wo er keine dreckigen Hände bekommt. Für ihn gab es nur Zehn- bis Zwölf-Stunden-Tage –­ auch Samstag und Sonntag. Als dann die Wende kam, hat er die Chance ergriffen und hat in Leipzig alte Herrenhäuser mit Stuck gekauft.“ Die Arbeit, die Geschäfte – Glück in der Liebe hatte Riecher nicht, so die Schwester.

Zerbrochene Liebe

Die erste große Liebe zu einer Türkin –­ gescheitert, weil die Eltern die Hochzeit ablehnten. Für diese Frau, so sein bester Freund, hatte Riecher ein Kilogramm Goldmünzen als „Brautgeld“ gekauft. Der Goldwert für 1000 Gramm Gold liegt am 17. Juni 2019 bei knapp 38 .400 Euro. Der beste Freund schildert: „Das war eine feste Beziehung. Er hat jahrelang gekämpft, ehe das weg war.“

Dann eine Brasilianerin, die schon ein Kind mitbrachte. Die Schwester: „Beide wollten heiraten, sie noch ein Kind. Er nicht. Weil er dann seine Arbeit und Geschäfte, die er von Nordstetten aus gesteuert hatte, nicht mehr in Ruhe hätte machen können.“ Man habe sich zwar einvernehmlich getrennt, doch darunter, so sein bester Freund, habe Michael Riecher jahrelang gelitten. Dann erzählt die Zwillingsschwester die Geschichte des Elternhauses Riechers, in dem Mohammed O. –­ der laut Anklage Riecher erwürgt haben soll – zuletzt gewohnt hatte: „Ich bin mit 24 ausgezogen. Er war sparsam, kam immer zu meinen Eltern zum Essen.“

Streit ums Elternhaus

Später gab die Zwillingsschwester ihre Arbeit bei Daimler-Chrysler auf, um ihre Eltern zu pflegen: „Es war unter den Geschwistern abgesprochen, dass ich das Haus bekomme.“ Doch als sie gestorben waren, gab es kein Testament. Die Schwester erzählt: „Michael wollte das Haus behalten.“ Es kommt zum Streit unter den Geschwistern. Und zur „Kommunikationspause“, wie die Schwester erzählt. Riecher zahlte dann den Geschwistern jeweils 30.000 Euro aus. Die Zwillingsschwester verzieh ihm, nahm wieder Kontakt auf.

Sie erzählt: „Umso erstaunter war ich, als er mir im Sommer beim Essen im Quartier 77 erzählt hat, dass er das Haus jetzt dem Hauptangeklagten gibt. Zwar mit Mietvertrag, aber er muss nichts zahlen. Michael hatte für arme Menschen und Asylanten ein großes Herz.“

Pläne mit dem Kasino

Dann habe ihr Bruder ihr von den neuesten Plänen erzählt. Er wolle jetzt das Offizierskasino ausbauen. Zwei Wohnungen. Eine für Mohammed O. und seine damals schwangere Frau, eine für sich.

Die Schwester schildert Riechers Absicht: „Dann kann mich seine Frau später versorgen, pflegen. Ich bin nicht allein, und er muss nichts bezahlen. Michael war auch stolz, weil im Ehebett unserer Eltern wieder neues Leben gezeugt worden war.“

Der Richter will wissen, ob es für den Kasino-Plan eine Finanzierung gab. Oder Verabredungen mit dem Angeklagten. Die Schwester: „Nix nix. Das kann ich nicht verstehen. Man tötet doch keinen goldenen Esel!“

Am Samstag hatte Mohammed O. gegen 9 Uhr bei Riecher geklingelt, weil er angeblich einen Termin mit ihm habe. Die Schwester: „Michael hat mir erzählt, seitdem er COPD (Raucherlunge, d. Red.) hat, macht er keine Termine mehr vor 10 Uhr.“

Dann wird sie zum Fundort der Leiche gerufen. Sagt: „Ich habe der Polizei gesagt, sie soll die Terrassentür zu machen. Die steht immer offen. Macht die zu. Oder einer muss drin bleiben, damit kein Fremder reingeht.“ Die Polizei habe darauf nicht reagiert. Ob die Kripo etwas gemacht hatte, weiß sie im Gericht nicht.

Die volle Geldkassette

An dem Tag hat sie auch die Geldkassette mit den Goldmünzen und Geld in der Schlafzimmerkommode gesehen, die ein Polizist mit Handschuhen geöffnet hat. An einem der ersten Hauptverhandlungstage berichtete der Ermittler von Werten in Höhe von mindestens 25.000 Euro in dieser Kassette.

Am Sonntag nach der Tat besuchte die Zwillingsschwester mit ihrem Mann Mohammed O.: „Ich wollte wissen, was gelaufen ist.“

Verdacht kommt auf

Ihr Eindruck vom Hauptverdächtigen an diesem Tag: „Er war die Freundlichkeit in Person. Dass er mir nicht noch die Füße geküsst hat… Er wirkte recht gefasst, hat zwar gesagt, dass er traurig sei.“ An seiner Mimik habe sie das aber nicht gesehen. Hinterher sagt die Zwillingsschwester zu ihrem Mann: „Der verheimlicht uns was und hat ein schlechtes Gewissen!“

Der Richter forscht dann nach dem Beute-Rätsel. Denn: Laut dem Teilgeständnis des zweiten Angeklagten Iyad B. bei der Polizei. habe er 3000 Euro von Riecher bekommen, ehe Mohammed O. das Opfer erwürgt habe.

Richter Karlheinz Münzer: „Hatte Ihr Bruder Vermögenswerte im Haus. Geld, Edelmetalle?“ Die Zwillingsschwester: „Er hat immer Geld da gehabt, aber keinen Tresor.“ Den habe man auch jetzt –­ nach der Freigabe durch die Polizei –­ nicht gefunden.

Die Zwillingsschwester: „Michael hat mir einmal erzählt, das Mohammed O. Geld von ihm wollte. Das hat er ihm aber nicht gegeben.“

Lag Beute im Komposthaufen?

Dann erzählt sie von Anfang Januar. Männer mit Ludwigsburger Kennzeichen hatten im Gelände rund um das Haus offenbar gegraben. Die Polizei Horb wurde zwar gerufen, kam aber erst Stunden später.

Die Zwillingsschwester schildert: „Nachbarn haben beobachtet, wie die Männer den Komposthaufen gegraben haben. Die Polizei kam erst zwei Stunden später. Da waren diese Männer vor der Volksbank und behaupteten, sie hätten dort Fußball gespielt. Meine Vermutung ist, dass der Hauptangeklagte oder der andere Geld oder Goldmünzen mitgenommen und dort versteckt haben. Die Kripo hat das ganze Haus so auf den Kopf gestellt, dass wir es nicht mehr sehen konnten und es abgerissen haben. Der einzige Ort, der nicht durchsucht wurde, war der Komposthaufen. Dort lag die Beute, die von Verwandten aus Ludwigsburg geholt wurde!“

Der Hinweis-Zettel

Am Freitagabend – dem Tattag –­ klebte im Terminkalender von Michael Riecher ein gelber Notizzettel: „O. Gold“. Die Zwillingsschwester: „Das heißt: Entweder hat Michael dem Hauptangeklagten Geld für den Goldkauf gegeben. Entweder hat dieser das Geld nicht zurückgegeben oder das Gold kassiert.“ Was ihr auch auffiel: An diesem Sonntag lag die Frau des Hauptangeklagten um 12.30 Uhr im Bett. Essen war nicht gekocht. Und: Überall standen die Weißweinflaschen herum, die das Opfer extra aus der Pfalz bestellt hatte.

Übrigens: Nach dem emotionalen Ausbruch der Zwillingsschwester hält sich Mohammed O. (wieder Bart, schwarzes Adidas-T-Shirt) auffallend oft die Hand vor den Mund.

Quelle: Schwarzwälder Bote

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