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Jun 07

Nicht attraktiver Ort für Asylbewerber: Dänemarks Knallhart-Kurs hat Vorgeschichte

Dänische Polizisten kontrollieren am Grenzübergang die Fahrzeuge in Richtung Norden.

Dänemark will abgewiesene Asylbewerber an einem „nicht sonderlich attraktiven“ Ort in Europa, außerhalb Dänemarks unterbringen. Dieser Plan, den der dänische Regierungschef Lars Lökke Rasmussen am Dienstag vorstellte, wirft viele Fragen auf.

Aber er ist kaum verwunderlich angesichts einer seit Jahren immer schärferen Asylpolitik des skandinavischen Landes. Und er fällt in eine Zeit, in der Europa um eine gemeinsame Flüchtlings-Strategie ringt.

Der „Lager“-Plan:

Der Rasmussen-Vorstoß klingt zunächst einmal ziemlich bizarr: Dänemark wolle ein „Lager einrichten, welches „nicht in den attraktiven Asylländern liegt, sondern anderswo“, sagte der Ministerpräsident laut dem Sender DR bei einer Veranstaltung. Er glaube, dass ein Pilotprojekt noch vor Jahresende beginnen könne. Und: Der Vorschlag seiner liberal-konservativen Regierung sei mit Österreich und anderen Ländern besprochen worden. Rasmussen ließ aber offen, welches andere Länder dies sind und wo dieses Zentrum eingerichtet werden soll. Dänemark-Experte Tobias Etzold ist deshalb in einer ersten Einschätzung skeptisch: „Das wirkt auf mich etwas wie ein Vorschlag ins Blaue hinein und wenig ausgereift“, sagte der Politikwissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zu FOCUS Online. „Denn bei einem solchen Vorhaben stellen sich einige rechtliche und politische Fragen. Es erscheint mir zweifelhaft, ob das überhaupt umsetzbar ist.“

So ist etwa fraglich, inwieweit ein solches Lager nach EU-Recht möglich ist. Auch scheint wenig realistisch, dass etwa Nicht-EU-Länder auf der Balkan-Route, die sich größtenteils so weit wie möglich gegen Flüchtlinge abschotten, einem solchen Projekt zustimmen würden.

Aber Rasmussens Vorstoß scheint tatsächlich mehr als nur eine fixe Idee zu sein. Denn Österreich hat inzwischen bestätigt, in die dänischen Überlegungen eingeweiht zu sein. Innenminister Herbert Kickl von der rechtsnationalen FPÖ sagte der Nachrichtenagentur APA, dass er gemeinsam mit Dänemark abgelehnte Asylbewerber an einem Ort außerhalb der EU unterbringen wolle. Auch er nannte keine Details, er wolle nicht über „ungelegte Eier in der Öffentlichkeit reden“.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte sich in der Vergangenheit als Freund des australischen Ansatzes gezeigt. Die Regierung in Canberra lehnt es grundsätzlich ab, Asylsuchende aufzunehmen, die mit dem Boot ankommen. Die Bootsflüchtlinge wurden deshalb erst gar nicht nach Australien gelassen, sie wurden in zwei Lagern auf Inseln fremder Länder gebracht. Etwas Ähnliches schwebt nun offenbar auch Dänemark vor. Aber eben in Europa, nicht auf einer fernen Insel. Und nicht bevor die Asylbewerber überhaupt das Land betreten, sondern danach.

Dänemarks scharfe Asylpolitik:

Klar ist: Mit den Regierungen von Dänemark und Österreich haben sich zwei Partner gefunden, die aus ähnlichem Holz geschnitzt sind. Während in Österreich die FPÖ am Regierungstisch sitzt, ist ihr dänisches Pendant, die rechtspopulistische Dänische Volkspartei, die treibende Kraft hinter der Asylpolitik des Landes. Als zweitstärkste Partei lässt sie sich die Zustimmung zu Gesetzen der Minderheitsregierung von Rasmussen regelmäßig mit Verschärfungen der „Ausländerpolitik“ belohnen, wie es die „Deutsche Welle“ einschätzt.  „Ausländerpolitik“ sei im politischen Jargon Dänemarks die Bezeichnung für Einwanderungs-, Integrations- und Asylpolitik.

„Dänemark hat in den vergangenen Jahren seine Asylpolitik systematisch und kontinuierlich verschärft“, sagt Politikwissenschaftler Etzold. „Der politische Konsens im Land, den auch die Sozialdemokraten mittragen, lautet: Wir wollen so wenig wie möglich Flüchtlinge und wir wollen so unattraktiv wie möglich für sie sei. Deshalb passt die Idee eines Lagers durchaus ins Bild.“

Eine zentrale Figur bei diesen Bemühungen ist Dänemarks Integrationsministerin Inger Støjberg. Sie ist stolz auf ihre besonders harte „Ausländerpolitik“. Auf der Homepage ihres Ministeriums verkündet sie äußerst prominent die Zahl der Verschärfungen seit ihrem Amtsantritt. Aktuell steht dort die Zahl 89.

Wie der österreichische „Standard“ berichtet, betrifft eine dieser Änderungen Abschiebelager im Land. Demnach konnten Familien früher bis zur ihrer Abschiebung zumindest in den wesentlich besser ausgestatteten Asylzentren bleiben. Das Resultat unter anderem dieser Politik: 2017 gab es in Dänemark rund 3500 Asylanträge, 2015 waren es noch etwa 21.000.

Der dänische Flüchtlingshelfer Morten Goll sagte dem „Standard“ zu der Situation in seinem Land : „Man ging in die Knie vor der nationalistischen dänischen Volkspartei, und man wollte die Antiflüchtlingsstimmung im Land nutzen, um Rückenwind und Popularität für die frisch gewählte Regierung zu erhalten.“

Beginnender Wahlkampf in Dänemark:

In diesem Zusammenhang sieht SWP-Experte Betzold auch den Lager-Vorschlag von Rasmussen, schließlich stehen im kommenden Jahr Parlamentswahlen in Dänemark an. „Das Thema Integration spielt eine enorm wichtige Rolle in der politischen Debatte in Dänemark und hier ist zu erwarten, dass sich die Parteien einen Wettlauf liefern werden, was die weitere Verschärfung der Asylgesetze angeht. Deshalb ist dieser Vorschlag vielleicht auch nur Rasmussens Versuch, Pflöcke einzurammen und dem Volk zu zeigen, dass die Regierung weiter etwas tut.“

Der Vorschlag ist aber auch im Zusammenhang mit der derzeitigen Debatte in Europa zu sehen. So ging es beim jüngsten Treffen der EU-Innenminister unter anderem um die künftige Verteilung der Flüchtlinge in der EU. Von einer Einigung ist man dabei aber sehr weit entfernt. Eigentlich wollen sich die EU-Staaten bis zum EU-Gipfel Ende Juni auf eine gemeinsame Haltung einigen. Weil es Streit über eine mögliche Quote zur Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Länder gibt, kommt die Reform seit 2016 kaum voran. Vor allem mitteleuropäische Länder wie Ungarn und Polen, aber zuletzt auch Österreich, wehren sich dagegen. Andere Länder wie Italien und Griechenland an den Außengrenzen der EU fordern hingegen mehr Solidarität.

Österreichs Innenminister plädiert für einen „Paradigmenwechsel“. Dies bedeute, dass sich die EU nicht mehr damit beschäftigen müsse, wie abgelehnte Asylbewerber außer Landes gebracht werden, sondern, dass nur noch Menschen mit positivem Bescheid einreisen dürften. Asylzentren außerhalb der EU seien ein mittel- und längerfristiges Ziel. Es bleibt abzuwarten, welche Rolle dabei der Rasmussen-Plan spielt.

Quelle: Focus

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