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Mrz 29

Protest in Bremen-Kattenesch: Anwohner gegen Flüchtlinge

Gegenüber der Baustelle sollen im Mai 256 geflüchtete Menschen einziehen. (Christina Kuhaupt)

Das Übergangswohnheim an der Marie-Mindermann-Straße in Bremen-Kattenesch soll Mitte Mai eröffnet werden. Nachbarn protestieren gegen das Containerdorf – und bedrohen die Bauarbeiter.

Die Arbeiten für den Bau eines Flüchtlingsheims an der Marie-Mindermann-Straße in Kattenesch sind fast abgeschlossen. Derzeit läuft der Innenausbau. In die acht Wohncontainer sollen ab Mitte Mai 256 Geflüchtete für drei Jahre einziehen. Dagegen regt sich Protest: Seit vergangenem Jahr stemmt sich eine Anwohnerinitiative gegen das Projekt – bislang ohne Erfolg.

Georg S. will keine Flüchtlinge in seiner Nachbarschaft haben. Der Rentner, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, wohnt mit seiner Frau genau gegenüber des Containerdorfs. Die Straße vor seiner Einfahrt ist aufgerissen – zwei Handwerker arbeiten gerade am Wasseranschluss für die Flüchtlingsunterkunft. S. und seine Nachbarn können ihre Autos nun erst einmal nicht mehr vor der Haustür abstellen. „So geht das nicht“, sagt er. „Uns wurde weder gesagt, wo wir jetzt parken können, noch, wo wir unsere Mülltonnen hinstellen sollen.“

Anwohner sehen Reihenhaus-Idylle in Gefahr

Es geht ihm aber nicht allein um die aufgerissene Straße: S. sieht die Reihenhaus-Idylle in der Marie-Mindermann-Straße in Gefahr. Ein Flüchtlingswohnheim vor der Haustür will er nicht akzeptieren. „Früher sind hier Rehe und Fasane spazieren gegangen“, sagt er und zeigt auf den Boden. „Jetzt ziehen hier 300 Fremde ein – das gefällt uns nicht.“ Wie wird er die neuen Nachbarn begrüßen? S. dreht sich mit dem Rücken zur Baustelle. „So“. Wegen der aufgerissenen Straße war er schon beim Amtsgericht, andere hätten sich direkt bei den Bauarbeitern beschwert, erzählt S., aber er wolle keinen Ärger mit denen.

Die Baustelle wird videoüberwacht. Rund um das Areal in unmittelbarer Nähe zur A 1 patrouilliert ein Sicherheitsdienst. Auch an diesem Tag dreht ein junger Mann in Arbeitsschuhen seine Runden. Protestierende Anwohner sind ihm bisher nicht aufgefallen. „Nee, da war nichts“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Das müssen Einzelfälle gewesen sein.“

Handgemenge mit Bauarbeitern

Einer dieser Einzelfälle ereignete sich in der vergangenen Woche: Ein 76-jähriger Anwohner protestierte an der Baustelle, kritisierte die neuen Verkehrsschilder vor seiner Haustür. Eines dieser Schilder warf er in einen Busch. Es folgte ein Handgemenge mit den Bauarbeitern. Die Polizei wurde alarmiert und ermittelt nun wegen Nötigung gegen den Rentner. Auch andere Nachbarn hätten die Bauarbeiter beschimpft, sagt ein Polizeisprecher. Und ein Passant berichtet, die Zufahrt zur Baustelle werde von den Heimgegnern regelmäßig mit Bauzäunen versperrt.

Peter Schulz, Sprecher von Immobilien Bremen bestätigt, dass es auch gegenüber Mitarbeitern von Hansewasser schon zu Drohungen gekommen ist. Immobilien Bremen leitet das Bauprojekt in Kattenesch. Insgesamt verantwortet das Unternehmen 30 Flüchtlingsheime in der Stadt. Bislang hätten sich die Bewohner der Unterkünfte in Bremen überwiegend auf aufgeschlossene Nachbarn einstellen können, sagt Schulz. „Spätestens, wenn die Einrichtungen in Betrieb waren, haben sich die meisten Befürchtungen als unbegründet herausgestellt.“ An einen ähnlichen Fall wie in der Marie-Mindermann-Straße kann er sich nicht erinnern.

Ortsamtsleiter Michael Radolla beschreibt die Situation an der Baustelle als insgesamt ruhig. Die Zwischenfälle sind ihm nicht bekannt. „Das müssen Einzelfälle sein“, sagt auch er. Die Anwohnerinitiative und ihre Haltung gegenüber dem Flüchtlingswohnheim kennt er aber. Von denen sei in den vergangenen Monaten aber niemand im Ortsamt vorstellig geworden.

Weitere Wohnheime geplant

Am 11. Oktober 2016 hatte die Behörde den Bau genehmigt. Bereits zuvor hatten Mitglieder der Bürgerinitiative „Bambi“ gegen das Flüchtlingswohnheim Front gemacht, weil sie dadurch eine Beeinträchtigung ihrer ohnehin schwierigen Wohnverhältnisse nahe der A 1 ­befürchteten. Einige Nachbarn versuchten, auch rechtlich gegen das Containerdorf vorzugehen – bislang ohne Erfolg.

33 Übergangswohnheime gibt es in Bremen, vor sechs Jahren waren es in der ganzen Stadt nur drei. Noch immer kommen Geflüchtete in Bremen an, im Januar und Februar waren es 274 Menschen. In diesem Jahr sollen sieben weitere Einrichtungen mit insgesamt 1400 Plätzen eröffnet werden.

Protest von Anwohnern gab es in Bremen bereits an mehreren Orten. In Huchting und Findorff kam es sogar zu Anschlägen: Das Übergangswohnheim in Huchting sollte eigentlich im November 2016 öffnen. Doch im September 2016 warfen Unbekannte die Scheiben der Container mit Pflastersteinen ein und schleuderten Molotowcocktails hinein. 20 der 80 Wohneinheiten wurden durch das Feuer beschädigt, 16 Container musste die Behörde entsorgen.

Innenbehörde: Vereinzelte Sachbeschädigungen und Schmierereien

Ein knappes Jahr vor dem Anschlag in Huchting hatten Unbekannte auch in Findorff Feuer gelegt: Im Oktober 2015 steckten die Täter eine Sporthalle an der Regensburger Straße in Brand – einen Tag, bevor Vertreter der Behörde prüfen wollten, ob dort Geflüchtete untergebracht werden können. In beiden Fällen konnte die Polizei die Täter bislang nicht ermitteln. Während in das Huchtinger Wohnheim mittlerweile Geflüchtete eingezogen sind, wird das Gebäude in Findorff weiterhin als Sporthalle genutzt. Die Sanierung kostete mehr als eine Million Euro. Laut Innenbehörde kam es an anderen Einrichtungen für Geflüchtete auch vereinzelt zu Sachbeschädigungen und Farbschmierereien.

Quelle: Weser Kurier

 

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