Wegen Vergewaltigung steht ein Mann aus Magstadt vor Gericht. Das Opfer, eine Bekannte von ihm, soll aufgewacht sein, als sich der 22-Jährige an ihr verging. Sie soll ihn angeschrien und weggeschubst haben – vergeblich. Er bestreitet die Tat.
Stuttgart – Zu jener Zeit habe er stets zwei Unterhosen übereinander getragen. Gewechselt habe er sie selten. Seine Dusche habe er alle paar Tage benützt.
Männer müssten Frauen respektieren. So gebiete es ihm seine Erziehung und seine Religion. Er sei nie Mädchen hinterhergelaufen, sie kämen zu ihm. Kondome benutze er nicht. Über Verhütung spreche er nicht. Solche Sätze sind im Protokoll eines Vergewaltigungsprozesses vor dem Stuttgarter Landgericht vermerkt. Mit derlei Aussagen, das ist unüberhörbar, gewinnt der Angeklagte bei der Richterin Manuela Haußmann keine Sympathie. Der 22-Jährige hatte ihr erklärt, dass „es normal ist, zwei oder drei Mädchen zu haben“.
Am 2. November des vergangenen Jahres soll der Mann in seiner Wohnung in Magstadt eine 20 Jahre alte Frau vergewaltigt haben. Die Staatsanwaltschaft hat den Abend wie folgt nachvollzogen: Sechs Frauen und Männer saßen in der Wohnung des Mannes, sie plauderten, hörten Musik, Joints kreisten. Dann gingen die Besucher, am Ende war nur noch die 20-Jährige da. Sie war müde, von den Drogen benommen und legte sich auf eine Matratze. Er legte sich zu ihr, fasste sie an. Sie schickte ihn fort und schlief ein. Sie erwachte, als sich der 22-Jährige an ihr verging. Sie schrie ihn an: „What the fuck are you doing?“ und stieß ihn fort – vergeblich, der Mann hielt sie fest und hörte nicht auf.
„Dort haben viele Sex“
„Sie will mein Leben zerstören, ich weiß nicht, warum“, sagt der Angeklagte. Er habe nichts getan, außer sich zu unterhalten, über Musik und seinen abgelehnten Asylantrag. Gegen vier Uhr in der Nacht habe er die Frau zum S-Bahnhof gebracht. Dreimal will er mit der 20-Jährigen Sex gehabt haben, zuletzt zwei Tage vor jener Nacht, auf dem Böblinger Flugfeld. „Dort haben viele Sex“, sagt er. Die Richterin Manuela Haußmann erbost, dass in den bisherigen Vernehmungen von Sex nie die Rede war. „Erst jetzt, nachdem das Untersuchungsergebnis da ist“, sagt sie.
Die Verhandlung erschwert, dass der Mann aus Gambia stammt. Eine Dolmetscherin übersetzt in Englisch, die Amtssprache Gambias. Wie viel der 22-Jährige versteht von dem, was in Juristensprache gesprochen wird, ist völlig ungewiss. Denn er hat nie eine Schule besucht, hat nie gelernt zu lesen und zu schreiben. Die Familie war arm, der Vater ist früh gestorben. Sein Beruf sei Treckerfahrer, sagt der 22-Jährige und erzählt, dass er zum ersten Mal mit 15 Jahren ausgereist sei, nach Mauretanien, um Geld für die Schwester und die Mutter zu verdienen.
Er arbeitete auf einer Farm in Libyen, verkaufte Wasser im Niger. Ein Freund verhalf ihm zu einer Schiffsreise nach Italien. Dort fand er keine Arbeit, reiste weiter nach Deutschland, beantragte Asyl und bekam den Status der Duldung zugesprochen. Er fand Arbeit als Küchenhilfe, allerdings nicht lang, denn einen Monat später wurde er bereits verhaftet.
Noch im Gefängnis bekam er den Ablehnungsbescheid zugestellt
Es war bereits seine zweite Verhaftung: Das Böblinger Amtsgericht hatte den 22-Jährigen schon zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Der Grund: Er hatte eine Wodkaflasche zerschlagen und mit dem scharfkantigen Hals einen Bekannten angegriffen und verletzt. Nach einem Jahr und zwei Monaten kam er frei, auf Bewährung. Noch im Gefängnis bekam er den Bescheid zugestellt, dass sein Asylantrag abgelehnt worden sei.
Die Flasche sei umgefallen und zerbrochen, sagt der 22-Jährige, und er habe nichts getan. Jetzt sei es genau wie damals. „Erst habe ich Freunde, dann machen sie mir Probleme“, sagt der Angeklagte. „Ich verstehe das nicht.“