Für Ungarns Premier Viktor Orbán ist klar, was gegen ertrinkende Flüchtlinge im Mittelmeer zu tun ist. Würde er eine Flüchtlingspolitik wie Angela Merkel machen, „würden mich die Menschen noch am selben Tag aus dem Amt jagen“, sagt er.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sieht die Schuld für das Sterben der Migranten im Mittelmeer auch bei den Politikern in Europa. „Ich habe fünf Kinder, die sehe ich bei diesen Bildern vor mir“, sagte er im Interview mit der „Bild“. Doch Schuld trügen auch „Politiker in Europa, die Migranten ermutigen und den Eindruck erwecken, dass es sich lohnt loszuziehen.“ Wenn man Leben retten wollte, müsste man die Menschen am Südufer des Mittelmeers aufhalten, ehe sie sich auf den Weg machen.
Orbáns Plan: „Jeder Gerettete muss zurück nach Afrika. Nur so können wir dieses Massensterben auf See verhindern“, sagt er. Die Grenzen müssten geschützt werden, niemand dürfe „reingebracht oder reingelassen werden“. Vor allem werde jede Entscheidung, „die den Migranten die Botschaft schickt, sie können kommen, zu immer neuen Tragödien führen“.
Neben dem Schutz der eigenen Außengrenzen sei ein weiterer Teil der ungarischen Lösung, dass man die Hilfe für Menschen in Not „exportiert“. Die Aufnahme von Migranten sollte freiwillig von jedem Mitgliedsstaat selbst entschieden werden. „Die Ungarn haben entschieden: Sie wollen keine Einwanderung. Frauen und Kinder an unserer Grenze bekommen natürlich Hilfe, Einwanderer aus wirtschaftlichen Gründen nehmen wir jedoch nicht auf.“
Wie die Einigung vom EU-Gipfel wirklich aussah
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach dem EU-Gipfel im Juni eine Einigung angekündigt zur Verteilung von Flüchtlingen. Doch dieser habe Ungarn nicht wirklich zugestimmt. „Verhandeln können wir jederzeit“, so Orbán, das sei Ungarns Antwort gewesen. Auf die Frage, was es zu verhandeln gibt, wenn Ungarn doch keine Flüchtlinge aufnehmen will, sagt er: „Sicher, aber meine Regel lautet: Wenn Deutschlands Kanzlerin verhandeln möchte, dann sagt Ungarn ja. Oder besser noch: jawohl.“
Orbán sagte in dem Interview beim Thema der deutschen Flüchtlingspolitik zwar, es sei nicht seine Aufgabe, die Arbeit der Kanzlerin zu bewerten. „Frau Merkel hat auch mich nie kritisiert.“ Jedoch sei „Frau Merkel in der Frage, wer in Ungarn leben darf, nicht zuständig.“
Er fügt hinzu: „Würde ich eine Flüchtlingspolitik wie Ihre Kanzlerin machen, würden mich die Menschen noch am selben Tag aus dem Amt jagen.“ Die Ungarn als jahrzehntelang besetztes Volk seien empfindlich in der Frage ihrer nationalen Unabhängigkeit.
Die Weigerung Ungarns, Migranten aufzunehmen, hat inzwischen auch juristische Konsequenzen: Die EU-Kommission klagte Mitte Juli gegen das Land vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Ungarn verstoße gegen das europäische Recht, unter anderem weil Asylanträge dort nur in sogenannten Transitzonen an der Grenze möglich seien. Der Zugang sei nur einer begrenzten Zahl von Menschen und erst nach übermäßigen Wartezeiten möglich. Zudem würden Migranten mehr als vier Wochen dort festgehalten. Generell seien Transitzentren an der Grenze mit dem EU-Recht vereinbar, aber nicht in dieser Ausgestaltung, so die Kommission.