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Jun 13

Vollverschleierung: Musliminnen erhalten offizielle Lizenz zum Neinsagen

Ein führender Islam-Gelehrter der Universität Kairo hat die Verschleierung der Frau lediglich als Tradition bezeichnet.

  • Eine religiöse Pflicht, Haare oder Gesicht zu verhüllen seien, sei im Koran nirgendwo zu finden.
  • Unter Sunniten gibt es keine andere Institution, deren Rechtsgutachten so geachtet werden wie die der Azhar-Universität.
Warum das wichtig ist:
Dass der renommierte Scheich aus Kairo jetzt die Lizenz zum Neinsagen gibt, kann Musliminnen helfen, ihre eigene Wahl zu treffen

Es ist eine Stellungnahme, die zur Verteidigungswaffe für liberale Muslime werden könnte. Die Vollverschleierung sei lediglich „eine Tradition“, hat Scheich Khaled Omran, der Generalsekretär des Fatwa-Rates der Azhar-Universität in Kairo, der ARD gesagt. Es stehe einer Frau zwar frei, einen Gesichtsschleier zu tragen, wenn das in ihrer Gesellschaft üblich sei. Doch dürfe eine Muslimin das nicht religiös rechtfertigen.

Weil es im Islam keine allgemein übergreifende Organisations- und Lehrstruktur gibt, existiert auch keine einheitliche Rechtsauslegung. Aber insbesondere unter Sunniten gibt es keine andere Institution, deren Rechtsgutachten so hoch geachtet werden wie die der Azhar. Die Kairoer Uni ist das, was in der Mehrheitskonfession des Islam einem Vatikan am nächsten kommt.

Zwar seien die Frauen des Propheten verpflichtet gewesen, einen Gesichtsschleier zu tragen. Doch „diese Ausnahmen bieten keine Rechtfertigung für Nachahmung“, sagte Omran. Der Koran und die Überlieferungen des Propheten gäben als Richtlinien lediglich vor, dass Kleidung „nicht körperbetont, nicht enthüllend und nicht eng anliegend sein darf“.

Lokale Traditionen aus vorislamischer Zeit

Omran hält darüber hinaus nichts davon, „wenn Menschen gezwungen werden, die Scharia zu befolgen“. Tatsächlich ist der Koran die einzige Rechtsquelle, die von allen Muslimen als absolut bindend angesehen wird. Wie der 31. Vers der Licht-Sure zu verstehen ist, wird von Gelehrten aber sehr unterschiedlich beurteilt.

Quelle: Infografik Die Welt

Dort heißt es, je nach Übersetzung, Frauen sollten Tücher „über sich“ oder „über ihren Körper“ oder „über ihren Kleiderausschnitt“ ziehen. Dass konkret Haare oder Gesicht zu verhüllen seien, ist im Koran nirgendwo zu finden.

Tatsächlich sind solche Praktiken aus lokalen Traditionen zu erklären, die schon in vorislamischer Zeit existiert haben können. Die Burka, deren Verbot manche jetzt in Deutschland fordern, kam einst aus Nordindien – aber als Statussymbol für die Frauen vermögender Händler, nicht als religiöses Gebot.

Frieden mit den sakulären Militärregimes in Ägypten

Dennoch machen Ultrakonservative das Tuch zur Grundsatzfrage. Dass der Scheich aus Kairo jetzt die Lizenz zum Neinsagen gibt, kann Musliminnen helfen, ihre eigene Wahl zu treffen.

Rein religiös ist die Stellungnahme vielleicht nicht begründet. Denn die Azhar hat bei ihrer Scharia-Auslegung immer auch versucht, den Frieden mit den säkularen Militärregimes in Ägypten zu wahren.

Säkulare und gemäßigte arabische Regierungen haben zuletzt häufiger gegen Terror und Fundamentalismus Stellung bezogen, etwa Königin Rania von Jordanien im vergangenen Jahr oder der marokkanische König Mohammed VI. kürzlich in einer Rede.

Quelle: Welt

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