Abschiebungen scheitern oft daran, dass die Termine an die betroffenen Migranten durchgestochen werden. Das Innenministerium will die Weitergabe unter Strafe stellen. In Berlin hilft eine neue Organisation Abzuschiebenden auf besondere Weise – per „Bürgerasyl“.
Dass nur ein Bruchteil der abgelehnten Asylbewerber und anderen Ausreisepflichtigen aus Deutschland in ihre Heimat oder den für sie zuständigen EU-Staat zurückgebracht werden kann, hat viele Gründe. Ein aus Sicht der Behörden besonders ärgerlicher: Fast jede zweite Abschiebung scheitert noch in der letzten Phase, weil der Ausreisepflichtige nicht angetroffen wird.
Wie WELT AM SONNTAG berichtet hatte, ist einer der Gründe für dieses häufige Abtauchen, dass die Ausreisepflichtigen von den Abschiebungsterminen erfahren – und dann rechtzeitig bei Freunden oder Abschiebungsgegnern unterkommen.
Der Bekanntgabe von Abschiebungsterminen möchte Horst Seehofers (CSU) Bundesinnenministerium gerne etwas entgegensetzen. Ein WELT vorliegender Referentenentwurf für ein „Zweites Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ sieht Strafen für das Durchstechen von Abschiebungsterminen vor. Laut dem Entwurf sollen „Veröffentlichungen von geplanten Abschiebeterminen unter Strafe gestellt (werden); dies gilt ebenso für die Verbreitung an einen unbekannten Personenkreis, etwa in einem geschlossenen Newsletter oder sozialen Netzwerken, oder gegenüber einem ausreisepflichtigen Ausländer“.
Ebenso möchte das Innenministerium etwas dagegen tun, dass Abschiebungsgegner abgelehnten Asylbewerbern und anderen Ausreisepflichtigen Hinweise geben, wie sie ihre Rückführung am besten verhindern. So ist in dem Entwurf auch „das Vorschubleisten der Identitätsverschleierung als Tathandlung erfasst. ,Vorschub leisten‘ umfasst dabei jede Unterstützung, auch Beratung oder Anstiftung betroffener Ausländer, die Identität zu verschleiern, oder der Ratschlag, hinsichtlich der Identität den zuständigen Behörden keine Auskunft zu geben oder falsche oder unvollständige Angaben zu machen.“
In dem Papier heißt es weiter: Wenn Abschiebungen scheiterten, beruhe dies häufig auf der „Undurchführbarkeit des Aufgreifens der ausreisepflichtigen Person am bekannten Aufenthaltsort oder der unbekannten Identität der abzuschiebenden Person“. In einigen Fällen beruhe das Scheitern „auf der systematischen Unterstützung der ausreisepflichtigen Personen durch Handlungen, die einen rechtsstaatlichen Vollzug des Aufenthaltsrechts gefährden“. Der Rechtsstaat müsse Handlungen unterbinden, „die auf eine Behinderung der Durchsetzung der Ausreisepflicht zielen“.
Allerdings ist zu bedenken, dass das Papier ein Referentenentwurf aus dem Innenministerium ist; das Ressort ist daran interessiert, mehr Ausreisepflichtige rückzuführen. Allerdings muss der Entwurf noch mit den anderen zuständigen Ministerien abgestimmt werden. In der Vergangenheit hat vor allem das Justizministerium Versuche, ähnliche strengere Abschiebungsgesetze zu schaffen, abgelehnt. Ob nach der Ressortabstimmung, dem anschließenden Kabinettsbeschluss und der darauf folgenden Bundestagsberatung viel von dem neuen Plan des Innenministeriums übrig bleibt, ist offen.
Schon seit vielen Jahren verbreiten Gruppen von Abschiebungsgegnern im Internet Hinweise für abgelehnte Asylbewerber, wie sie etwa durch Klagemöglichkeiten, Familiengründung oder Ausbildungsplatzaufnahme ihre Abschiebung verhindern können. Auch gibt es inzwischen mehrere Gruppen, die sogenanntes Bürgerasyl anbieten.
Kürzlich berichtete der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) über eine dieser Organisationen in Berlin. Die Gruppe „Bürger*innen-Asyl“ besteht demnach aus 15 Mitgliedern; die meisten sind Studenten zwischen 20 und 35 Jahren. Bei ihnen können sich Menschen per E-Mail melden, die bereit sind, Ausreisepflichtige bei sich aufzunehmen. Die Organisation bekommt von Abschiebung bedrohte Ausländer durch Beratungsstellen vermittelt. Zudem steht die Organisation dem Bericht zufolge auch mit Migranten-Gruppen und Anwälten in Kontakt. Eines der vom RBB befragten Gruppenmitglieder sagte: „Wir wollen darauf hinwirken, dass Berlin eine Stadt ohne Abschiebungen wird.“