Der Wetteraukreis hat einen psychisch erkrankten Flüchtling bei einem Behördentermin festgenommen und abgeschoben. Das hatte der Leiter der Gießener Psychiatrie öffentlich kritisiert. Jetzt hat der Kreis Strafanzeige gegen den Professor gestellt – und erhebt schwere Vorwürfe.
Der Streit zwischen dem Wetteraukreis und dem Gießener Psychiatrie-Professor Bernd Gallhofer um die Abschiebung eines psychisch erkrankten Flüchtlings eskaliert. Der Kreis erstattete Strafanzeige gegen Gallhofer.
Gleich drei Straftatbestände sieht der Kreis einer Erklärung vom Montagabend zufolge erfüllt: Der Leiter der Gießener Psychiatrie habe gegen die ärztliche Schweigepflicht verstoßen, indem er in den Medien über die Krankheitsgeschichte des 32 Jahre alten Mannes aus dem Kosovo berichtet habe. Zudem habe Gallhofer „in Form einer Beihilfe“ gegen das Aufenthaltsgesetz verstoßen, weil er mittels eines Gutachtens versucht habe, dem inzwischen abgeschobenen Flüchtling zu einem Aufenthaltsrecht zu verhelfen.
Kreis: „Zweifel an Selbstlosigkeit ihres Handelns“
Der schwerwiegendste Vorwurf lautet Betrug. Gallhofer sehe die Universitätsklinik Gießen laut eigenen Aussagen „als Institution mit Kirchenasylcharakter an“, heißt es in der Erklärung des Kreises. „Gleichzeitig stellt er dafür Rechnungen im fünfstelligen Bereich, was im Bereich Kirchenasyl noch nie geschehen ist.“ Es gehe um einen Betrag in Höhe von 12.800 Euro für die ärztliche Versorgung des Mannes im Zeitraum von Mitte Januar bis zum Anfang März.
„Wenn man weiß, dass diese Rechnungen an den Sozialhilfeträger für nicht in Auftrag gegebene Behandlungen ausgestellt werden und die Einnahmen daraus extrabudgetäre Zusatzeinnahmen für die Behandelnden darstellen, dann könnte man durchaus auch Zweifel an der Selbstlosigkeit des Handelns haben“, so der Kreis.
Er will den Betrag nicht zahlen, da er einerseits die Erkrankung des Flüchtlings in Zweifel zieht. Der Mann habe, obwohl er sich bereits seit sechs Jahren in Deutschland befinde, jetzt erstmals von dieser Belastung berichtet. Es handele sich um eine Schutzbehauptung, um einer Abschiebung zu entgehen. Außerdem habe das Gießener Verwaltungsgericht in seinem Beschluss festgestellt, dass der Roma, auch in seinem Heimatland behandelt werden könnte.
Linkspartei: „Kritiker mundtot machen“
Gallhofer wollte zu den Vorwürfen am Dienstag ebenso keine Stellungnahme abgeben wie das Gießener Universitätsklinikum, zu dem die Gießener Psychiatrie gehört. Von „absurden Vorwürfen“ gegen Gallhofer sprach die Fraktion der Linkspartei im Landtag. „Der Wetteraukreis versucht ganz offensichtlich, den Mediziner zu kriminalisieren und Kritiker einer inhumanen Abschiebungspraxis mundtot zu machen“, sagte die Abgeordnete Gabi Faulhaber. Die Abschiebung des schwer kranken Patienten sei ein Tabubruch sondergleichen gewesen.
Gallhofer hatte in der letzten Woche empört darüber berichtet, dass sein zuletzt in Friedberg lebender Patient aus seiner Sicht von den Behörden nach Friedberg gelockt wurde, um ihn dann dort festzunehmen und abzuschieben. Der Mann befand sich seit Mitte Januar in stationärer Behandlung wegen Vorfällen im Zuge des Kosovo-Krieges in den 90er Jahren. Damals soll der heute 32-Jährige als Jugendlicher von den Serben zwangsrekrutiert worden sein – unter anderem, um erschossene Zivilisten zu verscharren.
Landesärztekammer will Fall untersuchen
Daraus habe der Mann eine posttraumatische Belastungsstörung mit Suizdgedanken entwickelt, sagt Gallhofer. Um nun vom Wetteraukreis ein Taschengeld zu bekommen und die Unterlagen zu unterschreiben, fuhr er in Begleitung einer Sozialarbeiterin der Klinik in die Behörde. Und dort wurde er dann festgenommen, nachdem der Kreis das Erscheinen des Mannes den Abschiebebehörden mitgeteilt hatte.
Verärgert ist Gallhofer auch darüber, dass ein Amtsarzt dem 32-Jährigen die Reisefähigkeit bescheinigte, ohne seine psychische Erkrankung zu berücksichtigen. In so einer Art habe sich bisher kein Behörde verhalten, sagt der Gießener Professor, der eine ganze Reihe von Flüchtlingen betreut. Deswegen will auch die Landesärztekammer den Fall untersuchen. Und auch im Landtag soll er zum Thema werden.
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