Mehr als die Hälfte der Europäer will laut einer Studie einen Zuwanderungsstopp aus überwiegend muslimischen Ländern.
- Die Macher der Studie haben neben repräsentativ ausgewählten Bürgern auch 1800 Meinungsführer in die Studie aufgenommen.
- Die Antworten gehen teils stark auseinander, wenn man diese in “breite Bevölkerung“ und “Eliten“ auffächert.
Mehr als die Hälfte der Europäer befürwortet laut einer aktuellen Studie einen Zuwanderungsstopp für Flüchtlinge aus überwiegend muslimischen Ländern. Unter dem Titel „Europa – ziehen wir (noch) an einem Strang?“ hatte der Londoner Think Tank Chatham House zwischen Dezember 2016 und Februar 2017 Bürger aus zehn EU-Staaten befragt.
Besonders interessant ist dabei die Art der Befragung. Die Macher der Studie hatten nicht nur 10.000 repräsentativ ausgewählte Bürger in die Studie aufgenommen, sondern auch 1800 Meinungsführer – Angehörige der „Elite“ Europas – aus den Bereichen Politik, Medien, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Es zeigte sich, dass die Antworten teilweise stark auseinandergehen, sofern man die Antworten in „breite Bevölkerung“ und „Eliten“ auffächert. So unterstützen zwar beide Befragungsgruppen mit 61 Prozent ein Verbot gesichtsverhüllender islamischer Kleidung an öffentlichen Orten, einen Zuwanderungsstopp wollen allerdings nur 32 Prozent der Eliten – also 24 Prozentpunkte weniger als der Querschnitt der europäischen Bevölkerung.
Minderheit der Ungarn für Flüchtlingsquote
Rund 49 Prozent der Befragten (Elite: 63 Prozent) sprechen sich für ein Quotensystem aus, 27 Prozent fordern, die Mitgliedstaaten sollten selbst über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden können, und 24 Prozent sind gegen eine Aufnahmeverpflichtung für Flüchtlinge.
Erwartbar ist, dass die Zustimmung für Aufnahmequoten in den von der Flüchtlingskrise betroffenen Staaten Griechenland (68 Prozent), Italien (66 Prozent) und Deutschland (62 Prozent) am höchsten ist. Zum Vergleich: In Ungarn sind 19 Prozent der Befragten für ein solches Quotensystem.
Bruchlinien zwischen den Eliten und der übrigen Bevölkerung werden vor allem an drei Punkten deutlich. Denn große Teile der Bevölkerung sehen die EU negativ, vor allem angesichts möglicher Auswirkungen der Zuwanderung, und wollen den Mitgliedstaaten mehr Befugnisse einräumen. Nur 34 Prozent der Öffentlichkeit meinen, von der EU profitiert zu haben, verglichen mit 71 Prozent der Eliten.
Eine Mehrheit der Bürger (54 Prozent) ist der Ansicht, ihr Land sei vor 20 Jahren ein besserer Ort zum Leben gewesen. Die Macher der Studie erklären das mit einer schwelenden Unzufriedenheit der allgemeinen Öffentlichkeit, während Eliten eher von der europäischen Integration profitieren und generell liberaler sind.
Lieber keine „Vereinigten Staaten von Europa“
Zudem bestehe in der Öffentlichkeit eine ausgeprägte Kluft zwischen liberaleren und autoritärer denkenden Gruppen. Drittens, konstatiert die Studie, mangelt es den Eliten an einer gemeinsamen Meinung zu wichtigen Fragen der EU.
Entgegen der Annahme, dass Europas Eliten Integration generell befürworten, sind 28 Prozent mit dem Status quo zufrieden, 38 Prozent glauben, die EU sollte mehr Befugnisse haben, 31 Prozent wollen mehr Befugnisse an die Mitgliedstaaten zurückgeben. Die Idee der „Vereinigten Staaten Europa“ wird mehrheitlich abgelehnt.
Befragt wurden die Eliten auch, wie sie zu der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel stehen. 59 Prozent sagen, sie hat richtig gehandelt, als sie Deutschlands Grenzen für Migranten geöffnet hat. 30 Prozent lehnen die Entscheidung ab.
Für die Zukunft der EU malen die Forscher ein negatives Bild. Sie prognostizieren, dass rechtspopulistische Bewegungen versuchen werden, Sorgen weiter zu schüren und zu einem breiteren Widerstand gegen die EU aufzurufen. Es benötige „umfassendere Strategien“, um Diskussionen, die die EU bedrohlich erscheinen lassen, zu verringern.