Berlin. Am Morgen ein Sexualdelikt, am Abend dann ein Mord, das war nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft der Tagesablauf eines 24-Jährigen am 2. Mai 2018.
Am Freitag begann am Berliner Landgericht in Moabit der Prozess gegen den aus Kamerun stammenden Bernhard N. Der Hauptvorwurf gegen ihn lautet heimtückischer Mord aus niederen Beweggründen.
Der Anklage zufolge klingelte N. in den Abendstunden des Tattages an der Wohnung der 84-jährigen Maria M. an der Wichertstraße in Prenzlauer Berg. Die Seniorin lebte allein und war Zeugenaussagen zufolge durchaus in der Lage, ihren Haushalt zu führen, kleine Einkäufe selbst zu erledigen und kurze Spaziergänge zu unternehmen. Gegen den Eindringling, der an diesem Tag vor ihrer Tür stand, hatte sie aber keine Chance. Kaum hatte die betagte Frau die Tür geöffnet, soll N. zu einem im Flur abgestellten Einkaufstrolley gegriffen und mit diesem schweren Gerät immer wieder auf die wehrlose, gerade einmal 1,50 Meter große Seniorin eingeschlagen haben, bis diese schließlich reglos am Boden lag.
Die Verletzungen, die dem Opfer durch den Eindringling zugefügt wurden, waren ein sichtbares Zeichen eines fast unvorstellbaren Gewaltausbruchs. Eine Gesichtshälfte war völlig zertrümmert, der Kehlkopf eingedrückt, hinzu kamen massive Schädelverletzungen, ergaben die Untersuchungen der Rechtsmedizin. Der wohnungslose Bernhard N. sei bei der Tatbegehung „frustriert über seine allgemeine Lebenssituation“ und zudem „sexuell stark angespannt“ gewesen, hieß es am Freitag wörtlich in der von der Vertreterin der Staatsanwaltschaft verlesenen Anklageschrift.
Die Ermittlungen durch eine Mordkommission ergaben, dass N. sich offenbar noch bis 5 Uhr am nächsten Morgen in der Wohnung des Opfers aufhielt. Dabei soll er mehrfach Schränke und Schubladen durchwühlt haben und sich zwischenzeitlich auch noch zum Schlafen in das Bett des Opfers gelegt haben, während die Seniorin tot im Flur der Wohnung lag. Hinweise auf einen sexuellen Hintergrund der Tat gibt es allerdings nicht. Florian M., der Sohn des Opfers, fand seine Mutter am Abend des nächsten Tages. Er hatte sie aufgesucht, weil er sie zuvor mehrfach telefonisch nicht erreichen konnte. Direkt nach dem Betreten der Wohnung bot sich ihm das furchtbare Bild seiner am Boden liegenden, toten Mutter.
Klinikmitarbeiterin kontert Belästigungen resolut
„Sexuell stark angespannt“ war der 24-Jährige offenbar auch schon Stunden vor dem Mord.
Am frühen Morgen des Tattages gegen 3.30 Uhr soll er in der Rettungsstation des Vivantes Klinikums im Friedrichshain eine Mitarbeiterin belästigt haben.
Zunächst soll er unter eindeutigen kreisenden Beckenbewegungen und weiteren Gesten immer wieder „Massage, Massage“ gestöhnt haben.
Die Mitarbeiterin reagierte professionell und fragte ihn, ob er an Nieren- oder Unterleibsschmerzen leide. Als einzige Reaktion auf die Frage kam weiterhin das lautstark gestöhnte „Massage, Massage“. Als sich die Klinikmitarbeiterin unbeeindruckt ihrem Rechner zuwandte, soll sie schließlich von dem Angeklagten wiederholt „unsittlich berührt“ worden sein, bis es der resoluten Frau schließlich gelang, den aufdringlichen Patienten loszuwerden.
Was Bernhard N. in den Stunden danach machte, ist noch unklar. Irgendwann tauchte er schließlich in Prenzlauer Berg auf. Möglicherweise bemerkte er die 84-Jährige, als sie wie so oft einen kurzen Spaziergang unternahm, und betrachtete sie als ideales Opfer. Aufschluss darüber erhofft sich die Schwurgerichtskammer, vor der der Prozess geführt wird, durch Zeugenaussagen an den nächsten Verhandlungstagen. Für einen Raubmord spricht bislang wenig. Die Bargeldreserven, die Maria M. in ihrem Schlafzimmerschrank aufbewahrte, waren noch da. Auch an Wertsachen fehlte offenbar nichts, obwohl es für die Ermittler deutliche Hinweise gab, dass die Wohnung durchsucht wurde.
DNA-Spuren brachten die Mordkommission bald auf die Spur des vorbestraften Mannes. Zielfahnder nahmen Bernhard N. zwei Wochen nach den beiden Taten in einem Obdachlosenwohnheim in Brandenburg (Havel) fest. Seither sitzt N. in Untersuchungshaft. Zum Prozessauftakt schwieg der Angeklagte. Reglos und stoisch geradeaus starrend folgte er den Übersetzungen seines Dolmetschers. Hinweise auf eine psychische Störung des Angeklagten haben die Ermittlungen nicht ergeben, dennoch verfolgt eine psychiatrische Sachverständige die Verhandlung und wird zum Ende der Beweisaufnahme ihre Einschätzung zur Person des Kameruners vortragen. Der Prozess, für den fünf Verhandlungstage angesetzt sind, wird am Dienstag kommender Woche fortgesetzt.