Erste Reaktionen der Ermittlungsbehörde auf einen sexuellen Übergriff in Hainchen hatten bereits für Unverständnis gesorgt. Nun offenbart die Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage im Landtag Zündstoff für eine Debatte.
Zum Fall: Am Abend des 21. September wurde eine junge Frau in einer Hainichener Parkanlage Opfer eines sexuellen Übergriffs. Ein 30-jähriger Tatverdächtiger wurde kurz darauf von Polizisten nahe des Tatorts festgenommen, die 19-Jährige an jenem Samstagabend mit Kratzspuren, einer leichten Bisswunde sowie Schürfwunden in ein Krankenhaus gebracht. Den mutmaßlichen Täter musste die Polizei noch an dem Wochenende auf Weisung der Staatsanwaltschaft aus der Polizeidienststelle entlassen.
Die Entscheidung wurde erst am folgenden Dienstag revidiert und der Mann in Untersuchungshaft genommen. Begründung: Im Zuge weiterer Ermittlungen habe sich ein „dringender Tatverdacht wegen eines schwerwiegenderen Tatvorwurfes“ ergeben. Vorgeworfen wird dem 30-Jährigen sexuelle Nötigung mit Gewaltanwendung und Drohung sowie Körperverletzung. Zudem bestehe Fluchtgefahr, so eine Staatsanwältin. Bereits zu dem Zeitpunkt wurde bestätigt, dass sich der Tatverdacht gegen einen vermeintlich aus Marokko stammenden Mann richtet.
Dass der zuletzt in Mittelsachsen lebende Tatverdächtige nach seiner ersten Festnahme am Samstagabend wieder entlassen worden war, traf vor Wochen schon bei Hainichens Bürgermeister Dieter Greysinger (SPD) auf Widerspruch: „Es ist mir mehr als unverständlich, wie der Richter Samstagnacht entschieden hat, den Täter wieder auf freien Fuß zu setzen.“ Und schon zu dem Zeitpunkt legte der SPD-Politiker, der ansonsten vor einer pauschalen Verurteilung von Asylsuchenden warnt, den Finger in eine Wunde, die durch jüngste Aussagen der Landesregierung erneut aufbricht: „Wer unser Gastrecht missbraucht, muss schnellstens unser Land verlassen.“
Im Fall des 30-jährigen Tatverdächtigen hätte das längst geschehen können, wie der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Rolf Weigand zu entnehmen ist. Demzufolge ist der Beschuldigte ausreisepflichtig. Nach seiner Einreise in Deutschland im Juni 2015 habe er einen Asylantrag gestellt, der im April 2016 abgelehnt wurde. Nach Angaben der Staatsregierung hatte der Mann die Behörden über seine Identität getäuscht. „Nach Klärung der Identität wurden aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet“, schreibt Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) in der Antwort auf die Fragen des AfD-Abgeordneten, lässt aber offen, was die Behörden unternommen haben, um den Mann zur Ausreise zu bewegen.
Für Rolf Weigand eine politische Steilvorlage: Denn nach seiner Interpretation der vorliegenden Informationen war „die sexuelle Nötigung und Körperverletzung einer jungen Frau in Hainichen das Resultat eines Versäumnisses bei der Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers“.
Zudem handele sich bei dem 30-Jährigen um einen „Mehrfachtäter“. Zu diesem bisher nicht offiziell bestätigten Vorwurf erklärte ein Polizeisprecher auf Nachfrage der „Freien Presse“, dass der Polizei bekannt sei, dass der Tatverdächtige „bereits mit diversen Straftaten in den polizeilichen Informations- und Auskunftssystemen erfasst ist“.
Der AfD-Politiker Weigand forderte mit Verweis auf den Hainichener Fall, dass Asylbewerber, die bei der Identitätsbestimmung nicht mitwirken oder eine Straftat begehen, „vorübergehend in Haft genommen werden und dann sofort abgeschoben werden“.
Doch eine Abschiebung des Tatverdächtigen, der sich seit 23. September in Untersuchungshaft befindet, wird jetzt nicht erfolgen, wie Minister Wöller mitteilte. Dazu habe die Staatsanwaltschaft aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens gegen den Mann ihr Einvernehmen nicht erteilt. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz ließ eine „Freie Presse“-Nachfrage dazu bisher unbeantwortet.
Holm Felber, Pressesprecher der für die Abschiebung zuständigen Landesdirektion, teilte am Mittwochabend mit: Der Asylbewerber war nach der Zustellung des Ablehnungsbescheides „über längere Zeit nicht mehr auffindbar“ und tauchte „erst im Oktober 2018 in Dresden wieder auf“. Erst danach konnte die Abschiebung in das Herkunftsland angedroht werden.