Laut Bayerischem Gemeindetag brauchen in Bayern bis Jahresende 70.000 Flüchtlinge mit dauerhaftem Bleiberecht eine Wohnung. Gemeinderatspräsident Uwe Brandl hält es für utopisch, ausreichend Wohnungen zur Verfügung zu stellen, sagte er im BR.
Ein Problem mit Ansage: Erstaufnahmeeinrichtungen und staatliche Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge gibt es im Freistaat inzwischen wieder genug. Doch die Unterbringung der Menschen in Containern, teuer angemieteten Ex-Pensionen und leeren Kasernen ist keine Dauerlösung. Sobald Asylbewerber anerkannt sind, brauchen sie Perspektiven: Soziale Eingliederung, Arbeit und vor allem: Wohnraum.
Haben Flüchtlinge ein dauerhaftes Bleiberecht zuerkannt bekommen, müssen sie sich nach geltendem Recht selbst eine Wohnung organisieren und konkurrieren dann mit anderen finanzschwachen Wohnungssuchenden – Geringverdienern, Rentnern, Alleinerziehenden. Zwischenergebnis: Ende 2016 waren etwa in Nürnberg 1.700 von 8.400 Flüchtlingen „Fehlbeleger“, wohnten also weiter in Gemeinschaftsunterkünften, einige sogar in Turnhallen, obwohl sie eigentlich in eine eigene Wohnung umziehen dürften. Ähnlich sieht es nach Angaben des Sozialministeriums auch im Rest Bayerns aus.
Zu wenig günstige Wohnungen
Gemeindetagspräsident Uwe Brandl hält es für utopisch, dass die bayerischen Städte und Gemeinden ausreichend günstigen Wohnraum für die erwarteten 70.000 anerkannten Flüchtlinge im Freistaat zur Verfügung stellen können. Der CSU-Politiker warnt im BR-Interview die Bundesregierung deshalb vor weiteren Zugeständnissen beim Familiennachzug.
Flüchtlinge besser verteilen
Außerdem sollten anerkannte Asylbewerber gleichmäßiger verteilt werden, um die sowieso schon stark belasteten Ballungsräume wie München, Nürnberg oder Augsburg zu entlasten. Der Bau von günstigem Wohnraum müsse schnell angeschoben werden, etwa durch steuerliche Anreize für Grundstücksbesitzer. Auch der Freistaat sei in der Pflicht, mehr Folgeunterkünfte zu schaffen, sowie mehr in die Infrastruktur zu investieren, etwa in Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen und Lehrkräfte. Würde man nicht schnell handeln, drohe eine weitere Spaltung der Gesellschaft, so Brandl.
Ideen-Wettlauf gegen die Zeit
Die gute Nachricht: Durch „Wohnungslotsen“ und Wohnungsbörsen – so der Gemeindetag – sind viele Flüchtlinge vermittelt worden. Und: Vor allem in den Ballungsräumen geht man bei Wohnungsbau und – vermittlung erfolgversprechende neue Wege.
In München sollen Parkplätze etwa von Supermärkten mit schnell und preiswert zu errichtetenden Stelzenhäusern in Holzbauweise überbaut werden – das erste Projekt ist gerade fertig geworden. Augsburg plant ein neues Wohnbüro für Menschen in schwierigen sozialen Situationen. Nürnberg prüft die Umwandlung von provisorischen Gemeinschaftsunterkünften in dauerhafte Mietobjekte.
Zudem hat der Bund den Ländern für die Jahre 2017 und 2018 eine Milliarde Euro zusätzlich für den Wohnungsbau zugesagt. Das aber ist nur ein Bruchteil der bisherigen Unterkunftskosten für Flüchtlinge. Die Kommunen können nicht auffangen, was Berlin und München über Jahrzehnte vernachlässigt haben: Schaffung oder wenigstens Erhalt von Mietwohnungen, besonders im sozialen Wohnungsbau.
Immer mehr geförderte Wohnungen sind aus der Sozialbindung gefallen; bemerkt haben das meist nur die Betroffenen. Seit der Jahrtausendwende hat sich der Bestand nahezu halbiert. Dazu kommt, dass viele einst preiswerten Mietwohnungen – etwa billige Nachkriegsbauten – inzwischen hochwertig saniert wurden oder teuren Neubauten weichen mussten. Ein Sündenfall besonderer Art war die Privatisierung von 30.000 einst gemeinnützigen Wohnungen der GBW: Trotz „Sozialcharta XXL“ – so 2013 Finanzminister Markus Söder (CSU) – können viele der alten Bewohner inzwischen ihre Miete nicht mehr oder kaum noch bezahlen.
„Der Wohnungsmarkt ist leergefegt“
Die Flüchtlinge treffen auf einen vielerorts nicht mehr funktionierenden Mietmarkt. Und die Situation könnte sich jederzeit weiter zuspitzen – etwa, wenn der Flüchtlingsdeal mit der Türkei platzen oder Familiennachzug im großen Stil erfolgen sollte.
„Dann kommen die Gemeinden und Städte an das Ende ihrer Möglichkeiten. Der Wohnungsmarkt ist wie leergefegt“
Gemeindetagspräsident Uwe Brandl.
Zur Not müssten dann neue Containersiedlungen am Rande von Siedlungen errichtet werden. „Das will niemand, aber vielleicht geht es nicht anders“, so Brandl. Er warnte vor einer schwindenden Akzeptanz für Flüchtlinge in der Bevölkerung, sollte der Staat hohe Mieten für diese zahlen. Außerdem hinke die Schaffung kommunaler Infrastruktur wie Kinderkrippen, Kindergärten oder Grundschulklassen dem neu entstehenden Bedarf hinterher.