Die Zahl der Straftaten an deutschen Bahnhöfen hat stark zugenommen. Bei der Gewerkschaft der Polizei spricht man gar von einem „Raum der Angst“. Besonders stark betroffen ist Leipzig.
Berlin/Leipzig. Das Zwischengeschoss des Frankfurter Hauptbahnhofs ist in der Hand der Junkies und Dealer, auf dem U-Bahn-Steig am Kottbusser Tor in Berlin wird in aller Öffentlichkeit Crack geraucht. Aus heiterem Himmel traten Gewalttäter an verschiedenen Berliner Bahnhöfen wahllos Passanten die Treppen herunter.
Die Bahnhöfe der großen deutschen Städte werden immer mehr zu Orten der Angst. Diebstähle und Körperverletzungen sind fast überall stark angestiegen. Das geht aus Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik für die Bundespolizei hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegen.
Diebstähle steigen in sieben Jahren um bis zu 440 Prozent
So stieg in Berlin die Zahl der pro Jahr erfassten Diebstähle von 2010 bis 2017 um 260 Prozent, in Hannover um 140 Prozent, in Dresden um 440 Prozent, in Leipzig gar um mehr als 575 Prozent. Fast so stark nahmen die Körperverletzungen zu: Wurden in Leipzig 2010 noch 57 Menschen Opfer eines Gewaltdelikts am Bahnhof, waren es 2017 schon 206, ein Plus von mehr als 350 Prozent. In Frankfurt an Main stiegen die Zahlen von 181 auf 445 Fälle.
„Die Entwicklung der Gewaltattacken steht für eine Verrohung in der Gesellschaft“, sagt der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, dem RND. Er spricht von „Angst-Räumen“, denen nur mit erhöhter Polizeipräsenz zu begegnen sei. „Bahnnutzer und Bundespolizei erwarten gleichermaßen, dass das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt wird, die Bundespolizei personell zu verstärken“, sagt Radek.
Die Bundespolizei ist für die Sicherheit auf den Fern- und S-Bahnhöfen zuständig, nicht jedoch für die U-Bahnhöfe und das Umfeld der großen Stationen. Dort stellt sich die Lage jedoch ähnlich dar.
Berlin kämpft mit zahlreichen Straftaten in U-Bahnen
Nun sind Bahnhofsviertel selten Wohlfühlorte, sondern immer schon Zonen der Rastlosen, Ausgestoßenen und Unwillkommenen gewesen. Doch der aktuelle Anstieg der Kriminalität ist vielerorts dramatisch – allerdings ist auch die Zahl der Reisenden in den vergangenen Jahren gestiegen.
Nach aktuellen Zahlen der Berliner Innenbehörde nahm in den U-Bahnen der Hauptstadt von 2013 bis 2017 die Zahl der Körperverletzungen ebenso um 17 Prozent zu wie die Delikte Nötigung, Freiheitsberaubung und Bedrohung. Die Zahl der Sexualdelikte verdreieinhalbfachte sich sogar, Taschendiebstahl stieg um 23 Prozent, die Gruppe „sonstiger einfacher Diebstahl“ um 30 Prozent.
Polizei setzt auf Zivilfahnder
Die Diebstahlsdelikte gehen in vielen Städten seit 2015/2016 allerdings wieder zurück. Das könnte mit einem stärkeren Verfolgungsdruck zusammenhängen. Die Bundespolizei setzt verstärkt zivile Fahnder und Videoüberwachung ein, um den organisierten Taschendieben beizukommen.
Auch die Ausstattung der Sicherheitsleute mit Schutzwesten und so genannten Bodycams, trägt zu einer Beruhigung der Situation bei. Die Behörde macht sich allerdings Sorgen, dass private Eisenbahnunternehmen wie der Metronom in Niedersachsen nicht so stark in eigene Sicherheitskräfte investieren wie die Deutsche Bahn.
Auffällig hoch ist die Anzahl der nicht deutschen Tatverdächtigen. Diese liegt bei der Hälfte (Berlin), zwei Dritteln (Frankfurt) und sogar bei drei Vierteln (Leipzig, Dresden) der ermittelten Straftäter. Das liegt aber zu einem wichtigen Teil daran, dass auch Verstöße gegen das Pass- und Aufenthaltsrecht in die Statistik einfließen. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingszuwanderung 2015 wurden allein in Frankfurt 5000 Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht festgestellt, 2016 in Dresden 2000. 2017 gingen diese Zahlen wieder stark zurück.