„Es ist schockierend, wer alles eine Waffe tragen darf“
Deutschland braucht immer mehr Polizisten. Doch wer bewirbt sich für den Dienst? BILD zeigt, was beim Polizei-Nachwuchs wirklich abgeht und was ranghohe Beamte über ihre Schüler denken…
Berlin – Bundesinnenminister Thomas de Maizière (62) hat der Bundespolizei 1270 zusätzliche Stellen für 2017 versprochen: Für Terror-Gefahr, Flüchtlinge und Grenzschutz wird dringend mehr Personal gebraucht.
An Bewerbern mangelt es nicht – bis 20 000 junge Menschen schicken jedes Jahr ihre Unterlagen. Doch der Großteil fällt durch den Einstellungstest. Erfahrene Polizisten bemängeln die Qualitäten der Auserwählten. In BILD spricht ein ranghoher Bundesbeamter über den Frust mit dem Nachwuchs.
„Damit die Stellen alle besetzt werden können, wurde der Leistungsschnitt massiv gesenkt“, sagt Matthias B. (32, Name geändert). Die Mindestkörpergröße wurde abgeschafft (früher: Frau 1,63, Mann 1,65 Meter). Auch das Diktat beim Einstellungstest fiel weg. „Musste man früher im Mathe- und Deutschtest eine 3 haben, reicht jetzt eine 4. Die Mindestpunktzahl, die in den Tests erreicht werden muss, wurde von 6,0 auf 4,5 Punkte herabgesetzt.“
WAS POLIZISTEN IN DER AUSBILDUNG TREIBEN…
Auch Ernst G. Walter (57) von der Gewerkschaft DPolG sagt: „Um diese Einstellungszahlen zu erreichen, wurden Abstriche bei der Qualität gemacht. Wir bemängeln das ausdrücklich.“
Bundesbeamter B. weiter: „Die Lehrer werden mit ,Ey Alter‘ begrüßt, am Sozialverhalten mangelt es bei einigen stark. Und solche Menschen sollen das Land schützen, dürfen eine Waffe tragen.“
Jeder Fünfte schafft die Ausbildung nicht
Laut dem aktuellsten Bericht (2015) hat die Bundespolizei 40 866 Mitarbeiter, davon 8345 Frauen.
2016 wurden 2387 Bewerber als Anwärter eingestellt, davon 1855 für den mittleren, 532 für den gehobenen Dienst. Zum Vergleich: 2006 waren es unter 500. Aktuell sind rund 5000 junge Leute in der Ausbildung. 18 Prozent, also fast jeder fünfte Anwärter, schafft die Ausbildung nicht.
Das denken Ausbilder über die Schüler
Während der Ausbildung müssen die Lehrer ihre Schüler einschätzen. In geheimen Protokollen bewerten sie dabei die Mitarbeit und das soziale Verhalten. Auszüge eines aktuellen Jahrgangs:
► „Um intensive mündliche Beteiligung bemüht, zumeist Quantität vor Qualität, einfacher Wortschatz mit Fehlern behaftet, schriftliche Leistungen im ungenügenden bis ausreichenden Bereich.“
► „Wenig bis keine mündliche Beteiligung, Zusammenhänge werden nicht immer zeitnah erkannt, drückt sich schlicht und wenig flüssig aus, schriftliche Leistungen im mangelhaften bis befriedigenden Bereich.“
► „Körpersprache wirkt desinteressierter als seine geistige Anwesenheit, gelegentliche mündliche Beteiligung, dann verständlich mit brauchbaren Ergebnissen.“
► „Arbeitet wenig konzentriert mit, nur wenig verwertbare Beiträge, formuliert überwiegend ungenau und fehlerhaft, wirkt schwunglos.“
► „Gelegentliche bis rege mündliche Beteiligung, selten sorgfältig und genügend zweckmäßig, fehlerhaft und wenig flüssig im Ausdruck.“