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Mrz 27

„Hoppla, was wird denn hier für eine Meinung verbreitet!“

Constantin Schreiber (rechts) bei seinen Recherchen in deutschen Moscheen, Foto: ARD

Bekannt wurde Constantin Schreiber mit seiner Sendung „Marhaba“ bei n-tv, mit der er arabischen Flüchtlingen die deutsche Kultur nähergebracht hat. Mittlerweile arbeitet der 37-Jährige als Moderator für ARD-aktuell. Im letzten Jahr hat er sich in fast 20 Moscheen in Deutschland die Freitagspredigten angehört und mit Imamen und Gläubigen gesprochen. Daraus sind ein Buch („Inside Islam – Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird“) und eine crossmediale TV-Reihe entstanden. „der moscheereport“ startet am Montag um 21 Uhr 15 auf tagesschau24.

 

Herr Schreiber, Sie haben monatelang als Nichtmuslim in deutschen Moscheen recherchiert und damit offenbar Neuland betreten. Wie ist es dazu gekommen?

Als ich für meinen vorherigen Arbeitgeber für einen Dreh in einer Moschee war, bin ich dort auf ziemlich problematische Inhalte gestoßen. Sowohl in den Broschüren, die auslagen, als auch im Gespräch mit den Leuten, und da dachte ich, hoppla, was wird denn hier eigentlich an Meinung verbreitet! Dem wollte ich nachgehen und habe acht Monate lang verschiedene Moscheen in Deutschland besucht, die Predigten aufgezeichnet, übersetzt und mit Experten besprochen.

 

Wie haben die Imame und Gläubigen reagiert, als sie mit Ihrer Kamera angekommen sind?

Wir haben in den Moscheen immer mit Genehmigung gedreht. Das heißt, dass meistens eher Unverfängliches gepredigt wurde, wenn wir da waren. Zum Beispiel waren wir in der Dar-as-Salam-Moschee in Berlin-Neukölln, als der Mitbegründer der islamistischen al-Nahda-Partei aus Tunesien eine unglaublich integrative, Deutschland lobende Gastpredigt hielt. In Tunesien setzen sich die Mitglieder dieser Partei für die Wiedereinsetzung des Kalifats ein. Deshalb haben wir nochmal jemanden inkognito an einem anderen Freitag hingeschickt, und da war die Predigt das Gegenteil von integrativ und rief die Gläubigen auf, sich vom Leben in Deutschland abzugrenzen.

 

Klingt nicht, als würden Moscheen zur Integration ihrer Gläubigen beitragen.

Ich habe die Imame auch gefragt, ob Moscheen Orte der Integration sind. Das haben alle bestätigt. Dann habe ich sie gefragt, wie lange sie in Deutschland sind, und viele waren schon viele Jahre hier, aber sie sprachen – bis auf einen – alle kein Deutsch. Das Selbstbild und das, was dort gelebt wird, sind offenbar zwei ganz unterschiedliche Dinge.

 

Der aktuelle Bertelsmann Religionsmonitor hat festgestellt, dass sich die Einstellungen und Sichtweisen von in Deutschland lebenden Muslimen stark an den Grundwerten der Bundesrepublik orientieren und Deutschland für sie eine zweite Heimat geworden sei.

Für die Predigten, die ich besucht habe, kann ich das nicht bestätigen. Der Aufruf zur Abgrenzung zieht sich wie ein roter Faden durch die Texte. In einer schiitischen Moschee hat der Imam gepredigt, man könne als gläubiger Muslim nicht gleichzeitig demokratisch und liberal und Anhänger des Propheten sein, und das ist ganz klar gegen unsere Werteordnung gerichtet. In einer anderen Moschee wurde sehr offen gegen Jesiden, Armenier und Juden gehetzt, und als ich mit dem Imam geredet habe, hat er ganz offen gesagt, dass für ihn Jesiden Symbol der Barbarei seien und es in keinem Land der Welt Jesiden geben dürfe.

Syrische Flüchtlinge überrascht von aggressiven Predigten

Haben Sie auch mit arabischen Flüchtlingen geredet?

Ja, unter anderem in Potsdam. Da gab es bis zur Flüchtlingskrise nur eine kleine Moschee, und als die Flüchtlinge in der Innenstadt auf der Straße gebetet haben, hat die Stadt ihnen freitags die Halle in der Biosphäre zur Verfügung gestellt. Als ich dort war, hielt ein sehr konservativer Imam die Predigt, den die syrischen Flüchtlinge von der Kleidung her als salafistisch bezeichneten. Und der predigte, man dürfe sich nicht mit Christen befreunden, sondern nur mit streng gläubigen Muslimen und solle den Islam verbreiten. Die syrischen Flüchtlinge, mit denen ich gesprochen habe, waren total überrascht, was hier für aggressive, rückwärtsgewandte Predigten gehalten werden, das kannten sie aus Syrien nicht.

 

Nach dem Bertelsmann Religionsmonitor gehen kaum noch Muslime in die Moschee und wenn, dann vor allem Ältere.

Auch das kann ich nicht bestätigen. In keiner Moschee, die ich besucht habe, hat der Platz ausgereicht. Es war immer brechend voll, mindestens 1.000 Leute. In den meisten Moscheen wird freitags in mehreren Schichten gepredigt. Und die meisten Besucher sind jung. Es gibt auch sehr viele Schülergruppen.

 

Vermitteln die Moscheen den Eindruck, dass sie ihre Gläubigen radikalisieren?

Es hat nie Aufrufe zu Gewalt im engeren Sinn gegeben. Die Gefahr ist viel mittelbarer. Denn natürlich ist es für eine Gesellschaft gefährlich, wenn es weiße Flecken gibt, die wir in unserer Wahrnehmung einfach ausblenden, in denen dauerhaft die Trennung von Muslimen und Nicht-Muslimen gepredigt wird, unter sich zu bleiben, weil das Leben draußen – in der westlichen Kultur – nicht gut ist für Muslime.

 

Wurden nie die Hilfsbereitschaft der Deutschen oder mögliche Gemeinsamkeiten erwähnt? 

 2016 gab es ja genügend Anlässe, um Gemeinsamkeiten zu benennen, sei es die Hilfsbereitschaft oder Terroranschläge, die es ja sowohl in der islamischen als auch in der deutschen Gesellschaft gegeben hat. Das hat in den Predigten, die ich gehört habe, nicht stattgefunden. Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt sagte ein Imam, dass Menschen getötet wurden und es jetzt wieder Menschen geben werde, die das gegen den Islam nutzen wollen – und predigte dann, dass die größte aller Gefahren die Weihnachtsgefahr sei. Das wirkte auf mich nach einem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt besonders unangebracht.

 

Durch Ihre Sendung „Marhaba“ wurden Sie ja von vielen als Willkommensonkel beschimpft, der „moscheereport“ wirkt nun eher islamkritisch.

Ich bin Journalist und zeige, was ich in den Moscheen gehört und gesehen habe. Und ich finde, darüber sollte dringend diskutiert werden.

Das Interview führte Sabine Sasse

 

Quelle

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