
Mehr Schutz und Rechte. Mit dem Migrationspakt will die UNO Migranten besserstellen. Bild: Keystone
Der Bundesrat unterzeichnet wohl ein Abkommen, das Missstände im Asylwesen zementiert.
Heute findet im Bundesrat eine Aussprache zu einem brisanten Papier statt. Es geht um den Entwurf zum «Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration», kurz um den Migrationspakt der UNO und um die Frage, ob die Schweiz diesen unterzeichnen soll. Dass sie das tut, ist wahrscheinlich, zumal die Schweiz bei der Erarbeitung des Papiers federführend war.
Ex-Aussenminister Didier Burkhalter soll das Projekt bei der UNO angestossen haben. Seit Mai 2017 waren der Schweizer UNO-Botschafter Jürg Lauber und sein mexikanischer Amtskollege Juan José Gomez Camacho damit beschäftigt, im Auftrag des Präsidenten der UNO-Generalversammlung den Entwurf für einen Migrationspakt auszuarbeiten. Das Resultat ist deshalb brisant, weil es Missstände in der heutigen Migrationspolitik zementieren will – notabene ohne demokratische Legitimation, denn weder Parlament noch Stimmbevölkerung haben dazu etwas zu sagen.
Anwälte und Sozialhilfe für alle
Zwar informierte das Aussendepartement (EDA) über das Projekt. Dieses sei ein «wichtiger Schritt auf dem Weg zu gemeinsamen Standards der Staaten, um die positiven Aspekte der Migration zu stärken und die negativen Seiten durch gemeinsame Anstrengungen einzudämmen». Die UNO-Mitgliedstaaten hätten sich auf «einen praktisch anwendbaren Handlungsrahmen» geeinigt, der die Migration sicherer und geordneter machen soll.
Die Information zum Inhalt des Paktes war jedoch mager: Das Dokument enthalte zehn Grundsätze und 23 Zielformulierungen. Als Beispiele für die Grundsätze nannte das EDA die Gültigkeit der Menschenrechte für alle Migranten, oder das souveräne Recht der Staaten, ihre eigene Migrationspolitik zu bestimmen.
Bei der Lektüre des Entwurfs zum Migrationspakt wird indes rasch klar, dass dessen Fokus vor allem auf dem Schutz der Migranten liegt. Die negativen Auswirkungen der Migration, wie Konflikte durch das Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen, das Wachstum der Sozialsysteme westlicher Länder, die zunehmende Kriminalität und die schwindende Bereitschaft der bereits ansässigen Bevölkerung, Migranten aufzunehmen, erwähnen die Autoren mit keinem Wort. Auch Passagen zur Beschränkung der Migration oder dazu, dass die Zielländer wählen sollen, wen sie aufnehmen, sucht man im Dokument vergeblich.
Umstrittenster Punkt
Hingegen zementiert der Pakt einen der umstrittensten Punkte in der aktuellen Migrationsdebatte: die Seenotrettung durch private Hilfswerke. Unter Punkt acht verpflichten sich die unterzeichnenden UNO-Staaten nicht nur dazu, die Such- und Rettungsaktivitäten auszubauen, sondern auch humanitäre Hilfe für Migranten nicht als ungesetzlich zu qualifizieren. Dies würde es Ländern wie Italien künftig erschweren, gegen NGO wie Seawatch oder SOS Méditerranée vorzugehen, die Zehntausende von Migranten übers Mittelmeer nach Europa brachten. Wer den Migrationspakt unterzeichnet, verpflichtet sich nicht nur dazu, sichere Migrationsrouten einzurichten, sondern auch dazu, die Migranten bereits in ihren Herkunftsländern auf die Reise in ihre Zielländer vorzubereiten.
Dort angekommen, sollen die Migranten «diskriminierungsfreien Zugang» zur Grundversorgung, zu den Sozialwerken, zu einer «bezahlbaren und unabhängigen» Rechtsvertretung, zu Bildung, lebenslangem Lernen und zur Gesundheitsversorgung haben.
Kurz, sie sollen der einheimischen Bevölkerung in jeder Hinsicht gleichgestellt werden.
Weiter soll ihnen der Familiennachzug erleichtert werden, indem dafür Einkommen und Stand der Integration keine Rolle mehr spielen dürfen. Dies wäre ein klarer Widerspruch zu geltendem Schweizer Recht – danach können Migranten ihre Familie nur dann nachziehen, wenn sie nicht von der Sozialhilfe abhängig sind und über eine genügend grosse Wohnung verfügen.
Und weil Migration nur dann funktioniert, wenn die aufnehmende Bevölkerung mitmacht, sieht der Pakt eine Reihe von Massnahmen in den Zielländern vor. Etwa die Elimination «aller Formen von Diskriminierung» und die Förderung des öffentlichen Diskurses «zur Gestaltung der Wahrnehmung der Migration». Umgesetzt werden soll dies mittels Kampagnen und der Schulung von Medienleuten. Zwar betont das Papier, die Medienfreiheit zu respektieren. Gleichzeitig verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten jedoch dazu, jenen Medien öffentliche Gelder oder sonstige Unterstützung zu entziehen, die «systematisch Intoleranz, Xenophobie, Rassismus und andere Formen von Diskriminierung gegen Migranten fördern». Eine Formulierung, die Massnahmen gegen unliebsame Stimmen Tür und Tor öffnet.
Nicht alle Staaten machen mit
Laut dem Fahrplan der UNO sollen die Mitgliedstaaten den Migrationspakt im Dezember in Marokko offiziell verabschieden. Ob dies alle tun werden, ist fraglich. Zumal Staaten wie die USA und Ungarn die Gefolgschaft verweigern, weil der Pakt ihren Interessen widerspricht. Ob Australien unterschreibt, ist offen, und dass migrationskritische Staaten wie Tschechien, Dänemark oder Italien aussteigen, ist ebenfalls gut möglich.
SVP fordert Übungsabbruch
In der Schweiz fordert die SVP, dass der Bundesrat den Pakt nicht unterzeichnen soll und sämtliche Arbeiten in diese Richtung einzustellen. Der Pakt sei nicht vereinbar mit der eigenständigen Steuerung der Zuwanderung und damit der Selbstbestimmung der Schweiz, sagte Parteipräsident Albert Rösti gestern vor den Medien in Bern. Das Abkommen erleichtere Migranten ungeachtet ihrer Qualifikationen den Zugang zum Wunschland deutlich, fügte SVP-Nationalrat und Migrationspolitiker Andreas Glarner (AG) an. Für den Fall, dass der Bundesrat den Pakt trotzdem unterzeichnet, fordert die SVP, dass das Abkommen zwingend dem Parlament unterbreitet und dem fakultativen Referendum unterstellt wird.
Immerhin: Aussenminister Ignazio Cassis, der das Geschäft von seinem Vorgänger Didier Burkhalter geerbt hat, ist dem Vernehmen nach nicht wohl dabei. Er schlägt dem Kollegium vor, den Pakt nicht oder nur mit Vorbehalten zu unterschreiben. (Basler Zeitung)