Ein Berliner Richter stellte ein Verfahren wegen Vergewaltigung vorläufig ein. Der Angeklagte sei zu krank. Doch nach Informationen des SPIEGEL hält ein Gutachter den Mann für verhandlungsfähig.
Ein Richter am Amtsgericht Berlin-Tiergarten stellte ein Verfahren gegen einen mutmaßlichen Vergewaltiger mit der Begründung vorläufig ein, der Angeklagte sei für längere Zeit nicht verhandlungsfähig. Dabei war der vom Richter beauftragte psychiatrische Gutachter nach SPIEGEL-Informationen zu dem Schluss gekommen, der Mann sei sehr wohl verhandlungsfähig, wenn auch nur höchstens zweimal pro Woche jeweils zwei Stunden.
Der Richter verweigerte der Bielefelder Rechtsanwältin Christina Lang, die die Nebenklägerin vertritt, zunächst die Einsicht in das Gutachten, mit Hinweis auf schutzwürdige Interessen des Angeklagten. Lang legte dagegen Beschwerde ein und bekam recht. Sie vermutet nun, der Richter habe eine „schnelle Erledigung“ angestrebt. Der Fall sei ein „Schlag ins Gesicht“ für Opfer von Vergewaltigungen, sagte sie dem SPIEGEL. Sie hat den Richter wegen des Verdachts auf Rechtsbeugung angezeigt.
Eine Sprecherin des Amtsgerichts sagte, aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen könne sie zu dem Gutachten keine Stellung nehmen. Grundsätzlich sei ein medizinisches Gutachten nur ein Puzzlestück bei der Entscheidungsfindung eines Richters. „Ganz generell spielen Zeitgründe bei der Bearbeitung eines Verfahrens keine Rolle.“ Sie betonte, die Entscheidung sei nicht endgültig.