Angela Merkel hat vor dem Europäischen Parlament in Straßburg eine „echte europäische Armee“ gefordert.
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Die Zeiten, in denen Europa sich auf andere verlassen konnte, seien „schlicht vorbei“, sagte Merkel.
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Die Kanzlerin bezog damit Stellung im Streit zwischen Frankreichs Präsident Macron und US-Präsident Trump.
Bei diesem umstrittenen Thema wurde es plötzlich laut im Saal: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für die Entwicklung einer europäischen Armee ausgesprochen. „Wir sollten an der Vision arbeiten, eines Tages auch eine echte europäische Armee zu schaffen“, sagte Merkel am Dienstag in einer Rede im Europaparlament. „Eine gemeinsame europäische Armee würde der Welt zeigen, dass es zwischen den europäischen Ländern nie wieder Krieg gibt.“
Die Zeiten seien vorbei, in denen man sich vorbehaltlos auf andere verlassen könne. Das bedeute, dass Europa außenpolitisch handlungsfähiger werden müsse.
Lauter Applaus und Buhrufe aus den verschiedenen Fraktionen mischten sich, als Merkel betonte, eine europäische Armee wäre „keine Armee gegen die Nato“. „Kein Mensch möchte klassische Verbindungen in Frage stellen“, sagte sie. Es sei schlicht einfacher, auf diesem Gebiet zusammenzuarbeiten.
Zudem sagte Merkel, die EU solle auch eine gemeinsame Politik für Rüstungsexporte entwickeln sowie an der gemeinsamen Entwicklung von Waffensystemen arbeiten.
Trump entschieden gegen europäische Armee
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Merkel für eine europäische Armee ausspricht. Schon 2007 plädierte sie für diese Idee, 2015 bekräftigten sie und Ursula von der Leyen die Forderung erneut. Nun erhält die Idee in einer veränderten geopolitischen Lage neuen Aufwind: Merkel stellt sich auf die Seite von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron.
Dieser hatte vergangene Woche erneut eine „echte europäische Armee“ für mehr Unabhängigkeit von den USA ins Spiel gebracht und damit mehrfach Kritik von US-Präsident Donald Trump auf sich gezogen. „Was ich nicht sehen möchte, sind europäische Länder, die ihr Verteidigungsbudget steigern, um (US-) amerikanische oder andere Waffen zu kaufen“, sagte er am Sonntag dem US-Nachrichtensender CNN.
Darauf twitterte Trump am Dienstag: „Emmanuel Macron schlägt den Aufbau einer eigenen Armee vor, um Europa gegen die USA, China und Russland zu verteidigen. Doch es war Deutschland in den Weltkriegen Eins und Zwei – wie ging das für Frankreich aus? Sie haben in Paris angefangen, Deutsch zu lernen, bevor die USA vorbeikamen. Zahlt für die Nato oder nicht!“
Emmanuel Macron suggests building its own army to protect Europe against the U.S., China and Russia. But it was Germany in World Wars One & Two – How did that work out for France? They were starting to learn German in Paris before the U.S. came along. Pay for NATO or not!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) November 13, 2018
Wie eine europäische Armee aussehen könnte, ist bislang unklar. Nach Vorstellungen Frankreichs könnte im ersten Schritt von einer kleinen Gruppe von Staaten eine schlagkräftige Interventionstruppe für Kriseneinsätze zum Beispiel in Afrika aufgebaut werden. Erst in der nächsten Etappe würde dann das Projekt einer „echten europäische Armee“ angegangen werden.
Dies sieht die Bundesregierung kritisch. „Eine Europäische Armee muss innerhalb der Europäischen Union aufgestellt werden und nicht außerhalb. Dafür haben wir vor einem Jahr die Europäische Verteidigungsunion geschaffen“, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in der vergangenen Woche. Sie stellte wiederholt auch klar, dass die Verantwortung für Truppeneinsätze bei den Staaten und Parlamenten bleiben müsse. Statt von einer europäischen Armee sprach sie am Montag von einer „Armee der Europäer“.
Die EU hat bereits seit 2007 Krisenreaktionskräfte. Die sogenannten Battlegroups kamen aber noch nie zum Einsatz, unter anderem, weil die Truppensteller die Einsatzkosten zum Großteil selbst tragen müssten.
„Europa ist noch nicht so geeint, wie ich mir das wünschen würde“
Vor dem Europaparlament leitete Merkel ihre Forderung zur stärkeren Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik aus ihrem Plädoyer für mehr Solidarität unter den EU-Staaten ab: „Die Solidarität ist ein Teil der europäischen DNA“, sagte die Bundeskanzlerin.
Es sei immer weniger „erfolgversprechend“, auf der globalen Bühne alleine seine Interessen durchzusetzen. „Wir brauchen mehr denn je das Verständnis, dass die Toleranz die Seele Europas ist und dass sie ein ganz wesentlicher Bestandteil dessen ist, was uns als Europäer ausmacht“, so Merkel.
Merkel forderte in diesem Zusammenhang auch mehr Zusammenarbeit beim Thema Migration. In der Migrationsfrage sei „Europa ist noch nicht so geeint, wie ich mir das wünschen würde“, sagte sie. Wenn etwa jeder seine nationale Zuständigkeit behalten und keiner der europäischen Grenzschutztruppe Zuständigkeiten geben wolle, „dann kann die noch so groß und noch so gut sein, dann wird sie ihre Arbeit nicht erfüllen können“. Hier müssten die Mitgliedstaaten ein stückweit auf nationale Kompetenzen verzichten.
Es sei zudem wichtig, ein gemeinsames europäisches Asylverfahren zu entwickeln, um die Wanderung von Asylbewerbern von einem in den anderen EU-Staat zu unterbinden. Gleichzeitig gab sie auch zu, dass Deutschland sich „nicht immer tadellos verhalten“ habe. Die Flüchtlingsfrage hätte früher als gesamteuropäische Aufgabe angenommen werden müssen.