Mit Unterstützung der CDU hat die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt einen umstrittenen Antrag durchgebracht.Der Vorgang erzürnt die Koalitionspartner der CDU.Der Fall zeigt auch, wie eng die CDU auf Landesebene bereits mit der AfD zusammenarbeitet
Es ist ein Tabubruch, der bisher undenkbar schien: In Sachsen-Anhalt haben große Teile der CDU-Fraktion für einen Antrag der AfD gestimmt.
Mit Hilfe der Christdemokraten brachten die Populisten im Landtag eine Enquete-Kommission zur Untersuchung von Linksextremismus auf den Weg.
Der Fall wirft ein Schlaglicht darauf, wie eng die Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD auf Landesebene teilweise schon ist.
Die Kommission soll ihre Arbeit zum Jahresbeginn 2018 aufnehmen und bis zum Ende der Legislaturperiode arbeiten.
CDU düpiert Koalitionspartner
Der Vorgang ist aus mehreren Gründen mehr als bemerkenswert.
► Erstens, weil die parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD für die CDU als ein Tabu gilt – auch, wenn bereits einige Konservative dafür geworben haben.
► Zweitens, weil die CDU mit ihren Stimmen für den AfD-Antrag ihre Koalitionspartner düpiert – nämlich SPD und Grüne, die gemeinsam mit den Christdemokraten ein Kenia-Bündnis eingegangen sind.
Noch heikler wird die Sache dadurch, dass sich die CDU-Politiker bei der Abstimmung auch hätten enthalten können. Auch dann hätte die Kommission ihre Arbeit aufgenommen. Sprich: Konservative, die eine solche Kommission befürworten, hätten nicht mit der AfD stimmen müssen.
Durch die Stimmen der Christdemokraten wird nun aber der Vorstoß der AfD zusätzlich legitimiert.
In Magdeburg macht bereits die Rede vom Koalitionsbruch die Runde. Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner etwa schrieb auf Twitter:
Das ist krass. In Sachsen-Anhalt paktieren #AfD und #CDU im Landtag. Wie weit geht das noch? Modell für Bundestag? https://t.co/QO20JtFGJW
— (((Sven Kindler))) (@sven_kindler) 24. August 2017
In der Grünen-Fraktion will man soweit allerdings noch nicht gehen.
„Die CDU ist nicht verlässlich“
Der Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel twitterte unmittelbar nach der Entscheidung, „mit Nazis stimmt man nicht“:
Minderheitenrechte schützt man. Mit #Nazis stimmt man nicht. Denen tritt man man konsequent und klar entgegen. Jederzeit. #ltlsa
— Sebastian Striegel (@StriegSe) 24. August 2017
Im Gespräch mit der HuffPost will Striegel zwar nicht von einem Koalitionsbruch sprechen. Aber er könne die Entscheidung der CDU nicht nachvollziehen, sagt er. Weil sie nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt sei, „hat sich die CDU hier als nicht verlässlich erwiesen“.
„Blaupause für den Weg direkt in die rechte völkisch-rassistische Schmuddelecke“
Außerdem sieht er die Gefahr, „dass es auch auf anderen Ebenen zu Zusammenarbeiten zwischen CDU und AfD kommen kann. Dann wäre die Entscheidung eine Blaupause für den Weg direkt in die rechte völkisch-rassistische Schmuddelecke“, poltert der Grünen-Politiker-
Aus Sicht von SPD, Grünen und der Linken will die AfD die Kommission nutzen, um Akteure der Zivilgesellschaft zu diskreditieren und einzuschüchtern, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren.
„Wenn Sie ‚Linksextremist‘ sagen, dann meinen Sie in Wirklichkeit ‚Andersdenkender'“, sagte der SPD-Abgeordnete Rüdiger Erben am Donnerstag im Landtag in Magdeburg Richtung AfD.
AfD-Fraktionschef André Poggenburg sagte hingegen: „Wir wollen nicht nur jüngste Gewaltexzesse aufklären, es geht auch darum, wie eng das linke Netz gespannt ist zwischen der sogenannten Zivilgesellschaft und der militanten Antifa.“
Es solle geklärt werden, „inwieweit zivilgesellschaftliche Vereine linksradikale oder linksextremistische Tarn- und Vorfeldorganisationen“ sind. Es gehe auch um die Verwendung von Steuermitteln, sagte der AfD-Politiker.
Seit die AfD in fast alle deutschen Landtage eingezogen ist, flirten Teile der CDU mit der Partei.
► Im September vergangenen Jahres warb Veronika Bellmann als erste CDU-Bundestagsabgeordnete in der HuffPost für eine Koalition mit der Partei. „Die CDU muss sich in Zukunft die Frage stellen, welche Machtoptionen sie hat“, sagte sie.
► Ihr Fraktionskollege Klaus-Peter Willsch sagte: „Eine Koalition hängt davon ab, ob die Radikalen dort die Führung übernehmen oder gemäßigte Kräfte“, sagt Willsch.
Ohnehin sollten Kontakte zu gemäßigten AfD-Mitgliedern möglich sein, fordert er. Schließlich seien diese „doch keine Leprakranken“.
► Auch in Sachsen-Anhalt bandelten die Parteien schon vor der umstrittenen Entscheidung am Donnerstag an. Ein AfD-Abgeordneter wurde wohl allein mit Hilfe von CDU-Stimmen zum Vize-Präsidenten des Landtags gewählt.
„Politischer Tabubruch“
Der Politik-Experte Werner Weidenfeld nannte den Vorfall damals im Gespräch mit der HuffPost einen „politischen Tabubruch“.
Die Situation sei ein „zugespitzter Ausschnitt von einer Veränderung, die wir auch in anderen Bundesländern erleben. Dort nähert man sich der AfD langsam an und lotet aus, welches Verhältnis man zu dieser Partei haben soll. Die AfD zu ignorieren, wird nicht funktionieren“.
Wie recht er hatte, zeigt sich dieser Tage.