Noch ermittelt der Generalbundesanwalt gegen Imame des Islamverbands Ditib. Doch das Familienministerium hat die Fördergelder in Höhe von fast einer Million wieder freigegeben – mit dieser Erklärung.
Die Spionage-Ermittlungen des Generalbundesanwaltes gegen Imame des türkisch-islamischen Dachverbandes Ditib sind noch nicht beendet. Noch prüfen die Staatsanwälte, wie weit die von der Türkei in Auftrag gegebene Spitzeltätigkeit der Gottesmänner gegen Anhänger der Gülen-Bewegung geht. Diese wird von der Regierung in Ankara für den gescheiterten Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich gemacht; zehn der 16 Beschuldigten haben sich inzwischen wieder in die Türkei abgesetzt.
Doch für das Bundesfamilienministerium scheint die Angelegenheit schon wieder weitgehend erledigt zu sein: Die im Januar eingefrorene Finanzierung von drei Projekten wurde wieder aufgenommen. „Die Prüfung ergab, dass nach allen vorliegenden Erkenntnissen keine Verbindungen zwischen den geförderten Projekten und den vom Ermittlungsverfahren betroffenen Imamen besteht“, sagte eine Sprecherin.
Eine strikte Trennung zwischen den Verfahren und den geförderten Projekten hatte sich das Ministerium auch von Ditib zusichern lassen. Da es nunmehr keine Anhaltspunkte für eine Verbindung gebe, habe man keinen Grund und somit auch keine weitere rechtliche Grundlage, die Fördergelder weiter zurückzuhalten, so die Sprecherin.
Im Übrigen sei das Familienministerium das einzige Ministerium, das Projektgelder für Ditib im Zuge der Ermittlungsverfahren eingefroren habe, betonte die Sprecherin. Laut einer Kleinen Anfrage der Grünen-Fraktion hat die Bundesregierung seit 2012 insgesamt 15 Projekte der Ditib gefördert. Die meisten davon waren bei Bekanntwerden der Spionageaffäre aber bereits abgeschlossen.
„Bekämpfung antimuslimischer Ressentiments“
Konkret betroffen sind drei Projekte mit einem Fördervolumen von fast einer Million Euro bis zum Jahresende. Dabei handelt es sich um zwei Modellprojekte im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ und ein Projekt im Rahmen der Flüchtlingshilfe. Mit 127.187 Euro wird die Ditib Nord für das Projekt „Mein Weg – Jugend vor Ort“ gefördert, das muslimische Jugendliche für den Dialog und die „Bekämpfung antimuslimischer Ressentiments“ gewinnen will.
130.000 Euro erhält Ditib für das Modellprojekt „Muslimische Jugend – Friedliche Zukunft“, das sich der Prävention vor Islamismus verschrieben hat. Und satte 724.911 Euro bekommen die Ditib und 22 weitere Programmträger für das Programm „Menschen stärken Menschen“, das Patenschaften für Flüchtlinge arrangiert.
Das Familienministerium legte die Förderung der drei Projekte im Januar auf Eis, nachdem die Spitzelvorwürfe gegen die Ditib ruchbar geworden waren. „Die Vorwürfe gegen Ditib wiegen schwer“, hatte ein Sprecher des Ministeriums damals gesagt. Die Ermittlungen müssten nun zeigen, ob es sich um Einzelfälle handele oder ob eine strukturelle Verquickung von religiöser Arbeit und strafbarer geheimdienstlicher Agententätigkeit vorliege. In jedem Fall belaste der Verdacht „die Qualität der Zusammenarbeit mit Ditib und das Vertrauen substanziell“.
Inzwischen musste das Ministerium seine vorsichtige Haltung aufgegeben: Man sei auf die Zusammenarbeit mit Ditib angewiesen, um überhaupt in Kontakt mit den Jugendlichen zu kommen und sie durch pädagogische Angebote vor Radikalisierung zu schützen. Der Verein betreibt 800 Moscheen mit 800.000 Mitgliedern.
Gerade die Präventionsarbeit auf lokaler Ebene auch unter Einbindung der Ditib sei wichtig, um Jugendliche vor gewaltbereiten Extremisten zu schützen. „Diese Projekte sind für die Stärkung demokratischer Haltungen von elementarer Bedeutung“, sagte eine Sprecherin. „Wir prüfen sehr genau, dass die Fördergelder nicht extremistischen Strömungen zugutekommen.“
„Regierung tut so, als sei nichts gewesen“
Eine Argumentation, die die Opposition nicht gelten lässt: „Es kann nicht sein, dass man einem Verband, der in eine Spionage-Affäre verstrickt ist, weiterhin öffentliche Gelder zukommen lässt. Die Bundesregierung tut so, als sei nichts gewesen“, sagte Grünen-Politiker Volker Beck. Dass die Regierung sich damit zufriedengebe, dass Ditib zusichere, die geförderten Modellprojekte strikt von den Ermittlungsverfahren zu trennen, sei „schon fast ein Witz“. „Ditib ist eine Tochteragentur einer Behörde in Ankara. Sie hat in der Spionageaffäre gezeigt, wo ihre Loyalitäten sind.“
Die Vizevorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Cemile Giousouf (CDU), sieht die Entscheidung zur weiteren Förderung von Ditib ebenfalls kritisch. „Ditib steht am Scheideweg. Ich beobachte die Entwicklungen mit großer Skepsis“, sagte Giousouf der „Welt“. Der Verband müsse sich entscheiden, ob er ein deutscher Verband und eine Religionsgemeinschaft werden will, oder weiter eine türkische Organisation bleibe, die sogar vor Ausspähung ihrer eigenen Mitglieder nicht zurückschrecke, sagte Giousouf.
„Ditib hat nicht nur auf deutscher Seite viel Vertrauen zerstört, sondern ist auch keine angemessene Vertretung der jungen Generation mehr.“ Vor der Bewilligung neuer Projektmittel müsse Ditib ihre Haltung zu Deutschland eindeutig klären.