Hat der Senat den Überblick über die Asylverfahren verloren? Das könnte man denken. Denn auf mehrere konkrete Fragen konnte Innensenator Geisel (SPD) keine Antworten geben.
Der Innensenator ist für Sicherheit und Ordnung zuständig. Wenn er keine Antworten geben kann, wer dann?
Aber der Reihe nach: Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe fragte, wie viele abgelehnte Asylbewerber sich denn in Berlin trotz der Abweisung ihres Begehrens aufhalten würden.
Darauf gab es eine Antwort: Genau 39.465 Menschen leben in Berlin, deren Asylanträge rechtskräftig abgelehnt wurden, die also kein Asyl bekommen. Diese Zahl bezieht sich allerdings auf den Stichtag 31.12.2016, aktuellere Daten gibt es offenbar nicht.
Nun wollte der Abgeordnete wissen, seit wie vielen Jahren diese abgelehnten Asylbewerber schon in Berlin leben. Darauf antwortete der Senator, eine „entsprechende statistische Erhebung“ liege „nicht vor“.
Zweitens und drittens fragte der Abgeordnete, wie vielen der abgelehnten Asylbewerber eine befristete Aufenthaltserlaubnis oder eine Niederlassungserlaubnis erteilt wurde. Es kann nämlich sein, dass man kein Asyl bekommt, aber dennoch ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht, aus verschiedenen Gründen, wegen eines persönlichen Härtefalles usw. Aber auch dazu musste der Senator passen: keine „statistische Erhebung“ vorhanden.
39.465 Menschen, deren Asylanträge abgelehnt wurden und die dennoch hier geblieben sind? Was wird aus ihnen werden? Wer kümmert sich um sie? Wer behält sie im Blick?
Diese Fragen müsste doch die Sicherheitsbehörde der deutschen Hauptstadt auf Anhieb beantworten können. Stattdessen immer nur: keine „statistische Erhebung“ vorhanden. Wenn es diese Erhebungen nicht gibt, dann muss man sie eben schleunigst anlegen.
Eine Zahl konnte der Innensenator noch nennen: In drei Monaten, also von Dezember 2016 bis Februar 2017, wurden 448 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben.
Über diese niedrige Zahl wundert sich der Abgeordnete Luthe und kommt zu dem Schluss: „99 Prozent der Personen, bei denen ein Gericht entschieden hat, dass sie keinen Anspruch haben, in Deutschland zu leben, sind also nach wie vor völlig ohne Perspektive in Berlin. Das ist den Berlinern, den abgelehnten Asylbewerbern und nicht zuletzt dem Rechtsstaat gegenüber schlicht verantwortungslos, weil geltendes Recht nicht zur Anwendung kommt.“
Merkwürdig, wie ungenau die Fragen vom Senator beantwortet wurden. Sie sind doch wichtig!
An anderer Stelle schaut unser Staat sehr genau hin, im Finanzamt zum Beispiel oder bei der Gewerbeaufsicht. Da werden Fristen gesetzt, da werden Drohungen ausgesprochen und Verfahren angestrengt, da werden Konten gesperrt, da wird vollzogen.
Aber im Asylbereich gibt es ein Drunter und Drüber, wie man es sich nicht vorstellen kann. Merkwürdig ist das.