
Das Amtsgericht Leipzig verhandelte einen Fall von 2017: Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung? Quelle: dpa
Mit ihrer Anklage erhob die Staatsanwaltschaft schwerste Vorwürfe: Ein Mann soll eine ihm völlig fremde junge Frau quasi in seine Wohnung in Leipzig verschleppt und dort vergewaltigt haben. Zwei Jahre später begann der Prozess.
Leipzig. Mit ihrer Anklage erhob die Staatsanwaltschaft schwerste Vorwürfe: Elias G. soll am 16. April 2017 eine ihm völlig fremde junge Frau quasi in seine Wohnung in Leipzig verschleppt und dort vergewaltigt haben. Knapp zwei Jahre später musste sich der gebürtige Äthiopier am Dienstag vor dem Amtsgericht verantworten.
Staatsanwältin Anja Butenschön lastete dem 28-Jährigen an, sich an jenem April-Tag kurz vor Mitternacht in einer Bahn der Linie 11 neben die damals schlafende 18-Jährige gesetzt, sie auf den Mund geküsst und den Arm um ihre Schulter gelegt zu haben. Elias G. war am Hauptbahnhof zugestiegen. Aufgrund der Zudringlichkeiten habe die Jugendliche die Tram verlassen, der Angeklagte sei ihr aber auf den Fersen geblieben. „Er nahm sie in den Schwitzkasten, zog sie mit in seine Wohnung in der Georg-Schumann-Straße“, sagte die Staatsanwältin. Dort habe er sich an der Frau trotz ihrer Gegenwehr vergangen.
Hilferuf per WhatsApp
Der 18-Jährigen, die damals in einer betreuten Mädchen-Wohngruppe in Leipzig lebte und unter vielfältigen Persönlichkeitsstörungen litt, war es gelungen, sich dort zunächst per WhatsApp zu melden. „Sie schrieb, dass sie Hilfe braucht und nannte ihren Standort“, erinnerte sich eine Sozialpädagogin. „Als sie dann anrief, war sie sehr panisch. Sie sagte, dass sie sich in der Wohnung eines fremden Mannes befindet und Angst hat, dass er ihr etwas antut.“ Die WG-Mitarbeiterin alarmierte die Polizei. „Was sie schilderte, war für mich glaubhaft.“ Beamte konnten die Jugendliche aus ihrer Notlage befreien – der Beschuldigte kam für einen Monat, bis 18. Mai, in Untersuchungshaft.
Vor Gericht konnte jedoch nicht mehr zweifelsfrei aufgeklärt werden, was in jener Nacht genau geschehen war. Sowohl die Frau, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit und des Angeklagten vernommen wurde, als auch der Mann waren damals alkoholisiert. Das Gericht ging letztlich von einer sexuellen Nötigung aus und verhängte, wie von der Staatsanwältin beantragt, 14 Monate Haft auf Bewährung. Es honorierte zudem das Geständnis und den erfolgreich durchgeführten Täter-Opfer-Ausgleich. „Die Geschädigte hat die Entschuldigung angenommen“, sagte Amtsrichterin Ute Pisecky. Sie redete dem Angeklagten ins Gewissen – bereits das Küssen gegen den Willen der Frau sei nach deutschem Recht eine Straftat. Der 28-Jährige lebt seit fast fünf Jahren in Deutschland, ist nicht vorbestraft. Derzeit absolviert er eine Ausbildung, gilt als freundlich, aufgeschlossen, integriert.