Der frühere SPD-Politiker Thilo Sarrazin hält ein Misstrauensvotum gegen die Bundeskanzlerin für nötig.„Eine Bundeskanzlerin, die von ihrer Linie überzeugt ist und sich nicht beirren lässt, kann erst durch ein konstruktives Misstrauensvotum im Bundestag gestoppt werden“, sagte Sarrazin, der wegen rechtspopulistischer Thesen in der SPD verpönt ist, in einem Interview mit der „Passauer Neuen Presse“ („PNP“) vom Montag.
Es ist eine krasse Forderung – die dennoch Anhänger finden dürfte. Selbst Merkels Kanzleramtsminister Peter Altmaier konnte in einer Talkshow am Sonntagabend keine Antwort darauf geben, wie sich Merkel halten wolle. Der Koalitionspartner CSU droht mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Und CSU-Senior Edmund Stoiber stellte Merkel ein Ultimatum, wie hier im Video zu sehen.
Sarrazin erklärt seine Forderung mit folgenden Punkten :
- Überforderung des Landes: „Deutschland überfordert sich selbst mit dieser Flüchtlingspolitik“, sagte Sarrazin, die Lage gerate „allmählich außer Kontrolle“.
- Männerüberschuss: Sarrazin kritisiert, dass sehr viel mehr Männer als Frauen nach Deutschland kämen. Den 800.000 jungen männlichen Neuankömmlingen von 2015 stünden „nur“ fünf Millionen 15- bis 30-jährige Deutsche gegenüber. Ein Problem, das auch Experten thematisieren. Mehr als zwei Drittel der Neuankömmlinge sind offenbar Männer.
- Probleme am Arbeitsmarkt: Sarrazin bezieht sich auf Experten, die behaupteten, 80 Prozent der Flüchtlinge hätten mangels Qualifikation keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Eine neue Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bescheinigte der Mehrheit der Neuankömmlinge ein „mittleres“ Bildungsniveau sowie eine hohe Motivation. Allerdings zeigt eine Erhebung der Bundesagentur für Arbeit, dass viele Flüchtlinge lieber schnell Geld verdienen als eine Ausbildung absolvieren wollen.
- Hohe Kosten: „Unter extrem zurückhaltenden Annahmen habe ich ausgerechnet, dass sich die finanzielle Belastung durch die Flüchtlingszuwanderung, insbesondere durch die Sozialausgaben, in den nächsten Jahrzehnten auf insgesamt 1,5 Billionen Euro belaufen wird. Das sprengt alle Vorstellungskraft und ist allenfalls mit den Belastungen der Deutschen Einheit vergleichbar“, sagte Sarrazin der „PNP“. Auch andere Experten gehen von hohen Kosten aus, die die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen werden – vorerst jedenfalls. So hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine europaweite Steuererhöhung zur Finanzierung der Flüchtlingskrise ins Spiel gebracht.